Abschied nehmen
Waffe, die er umklammerte, ängstigte sie.
Doch sie zog sich nicht vor ihm zurück, vielmehr rückte sie noch näher an ihn heran, denn auch wenn sie das Entsetzen in seinen Augen nicht sehen konnte, konnte sie es förmlich spüren und sie wollte ihn damit nicht allein lassen. Er würde ihr nichts tun, das wusste sie und so sprach sie beruhigend auf ihn ein, ihn sanft streichelnd, bis er ganz plötzlich, so als würde er erst jetzt aus dem Traum aufwachen, zu sich kam.
Er zog sie mit einer plötzlichen Bewegung fest an sich. Noch immer zitternd schnellten seine weit aufgerissenen Augen durch den Raum, nach dem nicht anwesenden Feind Ausschau haltend. Er hatte das Gefühl, als könnte er Wentworth hier in dem Gemach spüren und es verging eine Weile, bis er sich selbst davon überzeugt hatte, dass dies unmöglich war.
Erst dann ließ er den Dolch sinken und die Anspannung wich aus seinem Körper, während er Kate mit sich hinunter aufs Kissen zog, wo er wortlos sein Gesicht an ihrer Brust vergrub und sich von ihrer Umarmung trösten ließ.
„Es war nur ein Traum“, flüsterte sie ihm sanft ins Ohr und William fragte sich, wen sie damit mehr beruhigen wollte, ihn oder eher sich selbst, denn ihr Herz raste ebenso schnell wie das seine. Er hatte ihr einen mächtigen Schrecken eingejagt, als er plötzlich mit dem Dolch vor ihrer Nase herumhantiert hatte, dachte er, schloss seine Arme fester um sie und wieder einmal wünschte er sich nichts sehnlicher, als diese Geheimnistuerei endlich zu beenden.
Hätte er Marcus doch nur nicht dieses dumme Versprechen gegeben, verdammte er sich wieder einmal, nun musste er sein Bestes tun, um es zu halten, auch wenn er wusste, dass es auch in Zukunft nicht einfacher werden würde. Vor allem nicht, wenn ihn diese Albträume heimsuchten, die ihn so lebhaft an sein Schicksal erinnerten und er nahm nicht an, dass der heutige sein Letzter bleiben würde. Er würde wohl einen Weg finden müssen, die damit verbundenen Gedanken so schnell wie möglich zu verdrängen, dachte er, doch in dieser Nacht sollte ihm dies nicht mehr gelingen. Die Dämonen, die ihn verfolgten, waren einfach zu hartnäckig, um sie kurzerhand zu vertreiben. Stattdessen ließen sie ihn kein Auge zu machen, und schon lange bevor die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte, hielt er es nicht mehr aus, tatenlos im Bett zu liegen und schlich sich lautlos aus dem Gemach.
Er fand sogar zu dieser frühen Morgenstunde Gesellschaft, denn Mrs. Jenkins werkelte bereits munter in der Küche herum. Als er kam, erteilte sie in einem strengen Ton ein paar kurze Anweisungen an ihre verschlafenen Helferinnen und nahm sich Zeit für ein Schwätzchen.
Bei ein paar dicken Scheiben warmen Brotes mit Butter und Konfitüre und mehreren Gläsern Milch plauderten die beiden so lange, bis William zumindest für eine Weile den bösen Spuk der letzten Nacht hinter sich ließ.
Als Kate erwachte, war es bereits hell, und als sie die Augen öffnete, stellte sie sehr schnell fest, dass William nicht mehr neben ihr lag. Sie legte ihre Hand in die Kuhle, die sein Kopf in seinem Kissen gebildet hatte, doch diese enthielt nichts mehr von seiner Wärme. Er musste bereits lange fort sein, dachte sie und entsann sich dieses unerwarteten Erwachens in dieser Nacht.
William hatte sie beinahe zu Tode erschreckt, als er sie mit diesem durchdringenden und sterbenselenden Schrei geweckt hatte. Er hatte so verstört und bange gewirkt und die Waffe in seiner Hand hatte sie verängstigt.
Es war dieser Dolch, den er stets dabei hatte und den er jeden Abend, eh sie sich ins Bett legten, zwischen Bett und Nachttisch deponierte. Warum er dies tat, hatte sie ihn nicht gefragt, doch nun war ihr Interesse geweckt. Hatte er etwa einen Angriff zu befürchten, fragte Kate sich, während sie mit gerunzelter Stirn an die Decke starrte. Aber wer sollte ihn den angreifen wollen, dachte sie und ein eigenartiges Gefühl überkam sie, als sie daran dachte, dass ihm etwas zustoßen könnte.
Und plötzlich konnte sie es keinen Augenblick länger in dem Bett aushalten, ohne zu wissen, ob es ihm gut ging. Sie sprang auf, zog sich hastig an und verließ Hals über Kopf das Gemach. Sie eilte durch die dunklen Gänge hinunter in die Küche, wo sie jedoch lediglich eine Magd antraf, die William an diesem Morgen noch nicht gesehen
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