Abschied nehmen
er lediglich sehen, wie Kate kaum merklich zusammenzuckte. Einen Augenblick hielt er seinen Blick noch gesenkt, doch schließlich hob er ihn zögernd und sah sie an.
Ihr Gesicht zeigte keine Regung. Noch immer blickten ihn ihre nun beinahe schwarzen Augen an und es war ihm unmöglich festzustellen, ob er sie mit seinen Worten dermaßen geschockt hatte, dass sie nicht fähig war, irgendetwas zu sagen, oder ob sie einfach nur erst die ganze Geschichte hören wollte, ehe sie sich dazu äußerte. Was Kate anging, traf sowohl das eine als auch das andere zu, doch William entschied sich aus einer stillen Hoffnung heraus für das Letztere und fuhr fort.
„Ich denke, du hast auch schon die Geschichte gehört, wie dein Vater und die anderen auf ihrer alljährlichen Reise nach Edinburgh vor zwei Jahren von Wegelagerern angegriffen wurden, aye?“ Kate nickte. „Und genau da haben wir uns kennengelernt.“
Er erzählte ihr, wie er zum ersten Mal auf Marcus und seine Männer getroffen war, wie dieser ihm das Leben gerettet hatte, davon welche Feindseligkeit ihm zunächst die anderen entgegengebracht hatten und wie sich, nachdem Marcus sein Geheimnis aufgedeckt hatte, eine enge Freundschaft zwischen ihnen entwickelt hatte.
Er berichtete ihr allerdings auch davon, was ihn in diese Gegend geführt hatte und während er sprach, merkte er, dass selbst jetzt, nach so langer Zeit, die Erinnerung daran so frisch war, als sei es keine Woche her. Alte Wunden rissen wieder auf, doch William zwang sich weiter zu sprechen und berichtete ihr in allen Einzelheiten von dieser grausamen Nacht, auch wenn er sowohl sich selbst als auch Kate mit dieser Ausführlichkeit quälte.
Schließlich kam er zu den Plänen, die sie gemeinsam geschmiedet hatten, zu ihrer Ausführung und zu dem unglücklichen Ende, das diese genommen hatte.
„Ehe ich herkam, habe ich noch meine Familie aufgesucht, um von ihnen Abschied zu nehmen, doch Wentworth hatte mich schnell aufgespürt und so habe ich mich hierher geflüchtet“, endete er und blickte in die mittlerweile rabenschwarze Nacht hinaus. Die Gesichter seiner Schwester, seines Vaters und Jamies, wie sie ihm zum Abschied winkten, schwirrten nun vor seinem inneren Auge, doch er verscheuchte sie und wandte seinen Blick wieder seiner Frau zu.
Sie saß noch immer unbewegt auf dem Bett, doch so ruhig sie äußerlich auch wirkte, so aufgewühlt war sie in ihrem Innern. In ihrem Kopf schwirrte es und sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Nie in ihrem ganzen Leben hätte sie so etwas geahnt, wer könnte das auch schon. Wer wäre jemals auf diese Möglichkeit gekommen? Sie jedenfalls nicht und diese Offenbarung lähmte sie so sehr, dass sie ihn nur noch weiterhin ansehen konnte.
Dies war wiederum das, was William nicht aushielt. Er wünschte sich eine Reaktion von ihr, ganz gleich wie diese ausfallen würde, doch dazu war sie im Augenblick nicht in der Lage.
„Kate, ich hoffe, du hasst mich nicht für das, was ich bin, denn ändern kann ich daran nichts“, sprach er, die Stille nicht mehr ertragend. „Ich bin nun mal der Sohn meiner Eltern und ich habe sie sehr geliebt“, fügte er hinzu, auch wenn ihm eigentlich klar war, dass dies nicht der Grund für ihre Schweigsamkeit war.
Sicher war sie im ersten Augenblick überrascht von dieser Neuigkeit, vielleicht sogar geschockt, doch sie sah keinen der verhassten Rotröcke in ihm, das hatte er zumindest erleichtert festgestellt. Nein, dies war nicht der Grund für ihre Verschlossenheit, es war etwas anderes und William wusste auch genau was. Er fuhr sich mit der Hand über die angespannten Züge und seufzte, ehe er wieder zu sprechen begann.
„Ich weiß, ich hätte dir von Beginn an die Wahrheit sagen müssen und glaube mir, es gibt nichts, das ich so sehr bedaure wie das“, sprach er und eine tiefe Traurigkeit lag in seinen Augen, „aber ich hatte so große Angst davor, wie du darauf reagieren würdest.
Zunächst habe ich mir eingebildet, ich könnte dich auf diese Weise vor der Gefahr schützen, doch als mir klar wurde, dass dies nicht mehr möglich war, konnte ich mich noch immer nicht dazu durchringen.
Ich habe es vor mir hergeschoben in der Hoffnung, ich würde irgendwann nicht mehr daran denken müssen, doch es wurde immer schlimmer und ich hielt es nicht länger aus, dich hinters Licht zu führen“, sagte er und lachte
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