Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied nehmen

Abschied nehmen

Titel: Abschied nehmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Miskull
Vom Netzwerk:
zurück.
         Als sie vorhin William von Bryan endlich losbekommen hatten und er wieder zu sich gekommen war, hatte Marcus ihn fortgeschickt, denn Bryans Anblick hatte immer wieder die blinde Wut in ihm entfacht. Er hatte sich schließlich dazu überreden lassen, den Stall zu verlassen und nun wollte Marcus sehen, wo er steckte.
         Er drehte sich eben fort, um sich auf den Weg zu machen, als Kate ihm ihre Hand auf den Arm legte.
         „Warte!“, bat sie, Marcus hielt überrascht inne und blickte zu ihr hinunter. „Ich werde zu ihm gehen!“, fügte sie hinzu, und ehe er noch etwas erwidern konnte, ließ sie ihn mit einer verdutzten Miene zurück.  
     
         Kate trat in den Hof hinaus und hielt für einen Augenblick inne. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Ihre Wangen glühten und ihr Herz pochte mit aller Kraft gegen ihre Brust, denn soeben war ihr etwas klar geworden. Als sie ihn gesehen hatte, war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen. Ganz plötzlich hatte sie ihren William wieder in ihm gesehen und ihr wurde klar, dass es nie anders gewesen war.
         In den letzten Tagen hatte sie sich immer wieder gesagt, dass er nun ein Fremder für sie war, dass er plötzlich nicht mehr der Mann war, den sie so sehr geliebt hatte. Doch gerade eben war ihr aufgefallen, wie sehr sie sich da getäuscht hatte. Er war ihr Mann und würde es immer sein und die Tatsache, dass sie nun seine Vergangenheit kannte, vermochte daran nichts zu ändern. Der Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, konnte sie sich einfach nicht entziehen.
         Und was die Tatsache anging, dass er sie erst so spät über sich aufgeklärt hatte ... Nun ja sie hatte auch so einiges aus Angst vor der Wahrheit hinausgezögert. Immerhin hatte sie in den letzten Wochen auch immer wieder seine traurigen Blicke bemerkt und auch all die anderen Dinge, die bei ihr viele Fragen aufgeworfen haben. Doch auch sie hatte sich erst an dem Morgen seiner Beichte getraut, ihn danach zu fragen. Sie, die gar nicht wusste, was sie erwartete, hatte sich davor gefürchtet und ihre Geduld und ihr Verständnis als Vorwand benutzt, um ihn nicht fragen zu müssen, wie konnte sie ihm dann sein Schweigen vorwerfen? Er hatte immerhin noch einen triftigen Grund dafür gehabt, denn er hatte befürchtet, sie zu verlieren und sie hatte seine Befürchtungen beinahe wahr gemacht.
         Sie hatte sich von ihm abgewandt und ihn allein gelassen, doch nun konnte sie dies ändern. Sie konnte zu ihm gehen und versuchen ihm Trost zu spenden, dachte sie und von einer plötzlichen Hast getrieben, trat sie einen Schritt vor und blickte sich nach ihm um.
         Der Mond schien hell und mehrere Fackeln erleuchteten den Innenraum zwischen den Burgmauern, doch William war nirgends zu sehen. Um sich zu vergewissern, ob eine Suche in der Burg einen Sinn machte, eilte sie zum Tor, um zu erfahren, ob er die Burg vielleicht verlassen hatte. Doch John versicherte ihr, dass bereits seit zwei Stunden niemand mehr das Tor passiert hatte.
         Einen Augenblick zwang sie sich, stehen zu bleiben und zu überlegen, wohin er gegangen sein könnte. Er wollte nun sicherlich allein sein, so würde sie ihn nirgendwo dort finden, wo sich noch Menschen aufhielten und er würde sich auch nicht an den Orten aufhalten, an denen er um diese Zeit für gewöhnlich seine Zeit verbrachte. Wo würde man ihn zu dieser Stunde zuletzt suchen, fragte Kate sich, und als ihr sogleich die Antwort einfiel, machte sie sich umgehend auf den Weg.
        
         Ihr Instinkt hatte sie nicht getäuscht, denn als sie den Eingang zur Schmiede erreichte, entdeckte sie William sofort. Er saß mit angewinkelten Beinen und mit dem Rücken zu ihr an die Werkbank gelehnt. Seine Arme hatte er auf seine Knie gestützt und in den Händen hielt er diesen kleinen, geheimnisvollen Beutel, den er stets um den Hals trug.
         Kate hielt einen Augenblick inne, atmete einmal tief durch und durchschritt lautlos den Raum. Einen Schritt hinter ihm blieb sie stehen, ging in die Hocke und streckte ihre zitternde Hand nach ihm aus. Als sie dann sanft über sein Haar strich, liefen ihr Tränen über die Wangen.
         „Ich wollte dich schon immer fragen, was es mit diesem Beutel auf sich hat.“ Sie unterdrückte ein Schluchzen, als sie William unter ihren Worten leicht zusammenzucken sah, und schluckte schwer. „Ich habe gedacht, du könntest mir nun vielleicht davon erzählen“, fügte sie

Weitere Kostenlose Bücher