Abschied nehmen
war.
Während William sie nun beobachtete, musste er sich jedoch eingestehen, dass ihm bei der Aussicht auf den Abend nicht unbedingt sehr wohl gewesen war. Er hatte befürchtet, dass es ein wenig steif zugehen würde, und hatte Claudia eher eingeladen, um Jamie damit eine Freude zu machen.
Es war keineswegs so, dass er Jamie keinen guten Geschmack zutraute, was Frauen anbetraf, denn diesen hatte er zweifellos, doch es wäre nicht sehr ungewöhnlich gewesen, wenn Claudia auf ihn mit einer gewissen Scheu reagiert hätte. Nun war er vollkommen erstaunt über die Frau, die neben seinem Freund auf dem Sofa saß. Sie hatte von Beginn an Humor gezeigt und war auch jetzt alles andere als zurückhaltend, denn sie sprühte geradezu vor Offenheit, war äußerst lebhaft und unterhaltsam.
William betrachtete sie und Jamie und musste zufrieden feststellen, dass sie sich einfach blendend zu verstehen schienen. Sie erzählten gerade gemeinsam von einem Vorfall, der sich kürzlich auf einem Fest zugetragen hatte und auch wenn sie einander ständig ins Wort fielen, verzog deshalb nicht einer von ihnen auch nur eine Miene. Sie erinnerten William stark an irgendjemanden, doch an wen, fragte er sich, als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Sie erinnerten ihn daran wie er und Jamie miteinander umgingen, wie Freunde.
Etwas verwundert stellte William dies fest, denn er hatte schon mehr zwischen Jamie und Claudia erwartet als eine Freundschaft. Doch der Eindruck, den er von ihrer Beziehung hatte, sollte sich nicht lange halten, denn auch wenn William nicht wusste durch was, veränderte sich ihrer beider Verhalten nur einen Augenblick später auf einen Schlag.
Eine leichte Röte überzog Claudias Wangen und Jamies Blick hatte einen Ausdruck angenommen, den William bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte. Urplötzlich hatten sie Mühe damit ihre Geschichte weiter zu erzählen, denn ihre Aufmerksamkeit galt nun ganz klar nicht mehr den Ereignissen, von denen sie bis eben berichtet hatten. Nun kamen sie immer wieder ins Stocken und von ihrer Lockerheit, die sie bisher im Umgang miteinander an den Tag gelegt hatten, war nicht mehr sehr viel da.
William konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, angesichts dieser sich ihm bietenden Szene, doch dann wandte er den Blick seinem Vater zu und überließ die Verliebten einander.
„Wie geht es deinem Vater, Claudia?“, fragte George später beim Abendessen.
Er hatte den Bruder Lord Farlings kennengelernt, als dieser gemeinsam mit seiner Frau seine Tochter hierher gebracht hatte. Die Farlings hatten damals ein großes Fest gegeben, bei dem sich nicht nur Claudia und Jamie ineinander verliebt hatten, sondern auch George und Harold sich ziemlich gut verstanden hatten. Claudias Vater handelte nämlich mit Wein und fand in George, was diesen anging, einen guten Gesprächspartner.
„Ihm geht es hervorragend. Vor etwa zwei Tagen bekam ich einen Brief aus Frankreich, in dem Mutter und Vater schreiben, dass sie in etwa einem Monat zurückkehren und mich nach Leeds zurückholen werden.“ Claudia war bemüht die Nachricht so fröhlich wie möglich klingen zu lassen, doch jeder, der am Tisch sitzenden, merkte ihr ihre Niedergeschlagenheit deutlich an.
Es war ein mehr oder weniger glücklicher Zufall gewesen, der sie hierher nach Birmingham geführt hatte. Während ihre Eltern nämlich nach Frankreich reisten, um die Geschäftsbeziehungen zwischen ihnen und ein paar französischen Weinhändlern zu verbessern und ein paar neue zu knüpfen, hatte sie eigentlich zu ihrer Tante Annie, der Schwester ihrer Mutter, nach Cambridge gehen sollen. Diese hatte sich jedoch wie so häufig mit einer schweren Grippe herumgeplagt und sich selbst für zu krank befunden, um ihre Nichte zu empfangen. So hatte Claudias Vater kurzerhand seinen Bruder gefragt, ob er sie nicht für die paar Monate aufnehmen könnte. Dieser hatte sich sofort bereit erklärt und so war sie nach Birmingham gekommen, was sich als ein wahrer Glücksfall für Claudia herausgestellt hatte. Denn hier hatte sie den Mann kennengelernt, den sie nun so sehr liebte, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Und eigentlich hatte sie angenommen, dass es ihm genau wie ihr ergehen würde.
Doch da hatte sie sich wohl getäuscht, dachte sie jetzt tief getroffen, als die, nicht nur von ihr, sondern auch von allen
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