Abschied nehmen
schlimmer wurde es. Er merkte selbst, wie er immer langsamer wurde und damit versuchte, den Augenblick noch ein wenig hinauszuzögern. Doch auch wenn er so langsam voranschritt, wie es nur ging, erreichte er trotzdem, wenn auch etwas später, sein Ziel. So nahm er schließlich all seinen Mut zusammen, atmete tief durch, straffte seine Schultern und wagte den Schritt hinein.
Claudia stand mit dem Rücken zu ihm gewandt und sah ins Feuer. Erst als er ihr so nahe kam, dass er ihre Hand berühren konnte, bemerkte sie ihn.
„Geht es dir nicht gut, Jamie? Du siehst krank aus“, fragte sie voller Sorge und hielt seine Hand.
„Nein, mir geht es gut“, lachte er kurz auf und versuchte damit seine Angst zu überspielen. „Es ist nur nicht so einfach das zu sagen, was ich dir sagen möchte.“
„Also ist es wahr.“ Claudia wandte sich ab, ging hinüber zum Sofa und nahm darauf Platz. Sie schien genauso nervös wie Jamie, denn ihre Hände wollten auch einfach nicht stillstehen und sie spielte unentwegt an ihrem Armband.
„Du willst mir bestimmt sagen, dass dein Interesse an mir nicht mehr vorhanden ist, nicht wahr?“ Tränen füllten ihre Augen und ihr trauriger Blick ließ Jamie zu ihr hinübereilen und endlich seine Hemmungen ablegen.
„Nein, Claudia, es ist nicht wahr“, versicherte er ihr eindringlich.
„Dein Verhalten, als ich sagte, dass meine Eltern mich in einem Monat wieder nach Leeds holen werden, ließ aber keine anderen Rückschlüsse zu. Du hast reagiert, als würde ich dir überhaupt nichts bedeuten“, sagte sie Jamies Blick meidend und seufzte.
Jamie plötzlich die Ruhe selbst legte die Hand sanft an ihr Kinn und hob es hoch, sodass sich ihre Augen begegneten.
„Es tut mir leid, wenn ich diesen Eindruck vermittelt habe, aber das Gegenteil ist der Fall.“ Er war nun absolut furchtlos und sprach mit leuchtenden Augen weiter. „Ich wollte es dir erst sagen, wenn ich mit deinen Eltern gesprochen habe, denn das wäre der richtige Weg, aber ich kann nicht länger mit ansehen, wie traurig du dreinschaust“, sprach er und strich zärtlich mit dem Daumen über ihr Kinn.
„Aber, Jamie, du sprichst in Rätseln. Was ist es denn, was du mit meinen Eltern so dringend besprechen willst?“, flehte sie.
Jamie atmete tief durch, nahm ihre Hand in seine und blickte ihr in die Augen.
„Ich habe die Absicht deine Eltern um deine Hand zu bitten“, sagte er und mit keinen Worten dieser Welt hätte sie die Antwort deutlicher formulieren können, als sie es nun mit ihrer Reaktion tat.
Sie hielt förmlich die Luft an und ein zutiefst gerührtes Lächeln trat in ihre mit Tränen gefüllten Augen. Ihre Hände drückten die seinen und Jamie war es mit einem Mal unerklärlich, weshalb er so viel Angst davor gehabt hatte, so schön war das Gefühl, das ihn nun erfüllte. Mit glühenden Wangen küsste er zuerst ihre Hand und dann ihre weichen Lippen.
„Bedeutet das, dass dies auch deinem Wunsch entspricht?“
Er war so nahe an ihrem Gesicht, dass er genau ihren Atem spüren konnte.
„Ja, Jamie, das bedeutet es“, flüsterte sie und Jamie küsste sie erneut voller Zärtlichkeit.
„Darf ich sie hereinrufen?“, fragte Jamie eine Weile später, als Geräusche vom Eingang her zu vernehmen waren.
„Ja, ich denke wir haben sie lange genug warten lassen“, lächelte Claudia und setzte sich gerade auf das Sofa.
„Nun kommt schon herein!“
Die Drei betraten breit grinsend den Raum. Dann wurden erst einmal Glückwünsche ausgesprochen, denn auch wenn Claudias Vater sein Einverständnis noch nicht gegeben hatte, rechnete keiner von ihnen mit einer Ablehnung. Sie umarmten einander und trotz des Versprechens, das William und Jamie sich am Mittag gegeben hatten, mussten sie nun doch unwillkürlich daran denken, dass Jamie den glücklichen Tag ohne seinen besten Freund würde verbringen müssen. Sie mussten nichts sagen, denn sie sahen den Kummer in den Augen des anderen und mit ihrer festen Umarmung brachten sie diesen deutlich zum Ausdruck.
„Darauf müssen wir erst einmal anstoßen!“, rief George und schon eilte Edward mit einem Tablett voller verschiedener Getränke herbei.
Sie stießen nicht nur dieses eine Mal an und schon bald schwirrte ihnen der Kopf vom vielen Whisky und Wein.
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