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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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zogen wir die Kommerse in der Hinterstube der Buchholzschen Kneipe am Markt ab und überließen Hänschen Buchholz, dem Sohn und Erben, mitunter das Präsidium. Er hatte im Gymnasium >bis auf Quarta studiert«, fühlte sich hochgeehrt, wenn er den Schläger auf den Tisch hauen und Silentium gebieten konnte, und spendierte dann Korn und Kümmel und gelegentlich eine Büchse Würstchen, die er dem Alten aus dem Keller klaute. Oder wir zogen hinter dem Heilsberger Tor in die Kneipe von Steffens, der zwei bildhübsche, aber recht spröde Töchter hatte, die auf die Winterschüler und auf die in der ehemaligen Unteroffiziers-Vorschule einquartierten Polizei-Anwärter eine magnetische Anziehung ausübten. Im besten Ruf stand diese Kneipe nicht, denn in einem mit Plüschmöbeln ausgestatteten Hinterzimmer wirkten zwei hübsche und zumeist mollige Kellnerinnen, die aber nur Gäste mit erheblichen Barmitteln bedienten. Solch eine Kellnerin, ein üppiges Riesenweib, gab es auch bei Kaufmann Thiel in einem Nebenraum seiner Kneipe, der von der allgemein zugänglichen Lokalität streng abgesondert war. Als unser Studienrat Müllner, ein Zwerg wie Perkeo, aber an Durste riesengroß, der wegen Trunkulenz von Königsberg nach Bartenstein strafversetzt worden war, eines Tages mit bandagierten Handgelenken in der Schule erschien, ging das Gerücht um, das Riesenweib bei Thiel habe ihn bei einem allzu stürmischen Annäherungsversuch an den Handgelenken gepackt und ihm dabei die zarten Knöchelchen gebrochen.

    Die Verbindungen zu den alten Königsberger Freunden waren im Verlauf der Zeit abgerissen. Nur Alfred Kleiber schrieb mir hin und wieder ein paar Zeilen, und er war auch der einzige, den ich bei den sehr seltenen Fahrten nach Königsberg besuchte. Von ihm erfuhr ich, daß nur noch wenige aus dem engeren Kreis die Schulbank drückten, die meisten hatten die Penne mit dem Einjährigen verlassen und waren als Lehrlinge bei Banken oder wie er selber im Getreidegroßhandel untergekommen. Alfred lernte bei der Firma Larski, deren Junior mit uns auf der Tertia gesessen hatte. Der war als Schüler ein fürchterlicher Versager gewesen und mit sechzehn oder sogar siebzehn Jahren fraglos der älteste Tertianer, den es je auf dem Fridericianum gegeben hatte. Während wir noch mit kurzen Hosen herumliefen, trug er bereits Anzüge und Hüte nach der neuesten Mode, spielte Tennis und führte seine Tennis- und sonstigen Damen ins feudale Weinhaus Jedwill an der Steindammer Kirche aus. Einmal begegneten wir ihm auf der Brahms-Brücke, als ich mit Mutter vom Markt kam und ihr half, die schweren Taschen mit Kartoffeln und Gemüse zu schleppen. Larski kam uns an der Seite einer hübschen jungen Dame entgegen und zog vor Mutter höflich den Hut.
    »Wirklich«, keuchte Mutter und setzte ihre Markttaschen ab und schaute den beiden nach, »ein netter junger Lehrer, den du da hast.«
    »Nee«, sagte ich, »der sitzt mit mir auf Quarta.«
    »Du immer mit deinen Albernheiten...« sagte Mutter. In der Gesellschaft von Alfred Kleiber begegnete ich Larski wieder, als ich zwischen Weihnachten und Neujahr eine Woche bei Else verbringen durfte. Alfred hatte auf einem litauischen Frachter während eines Hafenarbeiterstreiks gestaut und ein paar Lat in der Tasche, die so gut wie Dollar waren, während wir an die Billionen heranmarschierten. Er lud mich großzügig ins Café Plouda ein und spendierte mir ein kleines Bier. In einer Ecke der Konditorei saßen um einen runden Tisch ein halbes Dutzend junger Kerle, übertrieben elegant ausstaffiert, mit knöchelengen Jimmyhosen, die zum Hintern übermäßig breit anstiegen, damit man die dicken Banknotenbündel in den Gesäßtaschen unterbringen konnte. Der Ober servierte ihnen in winzigen, hochstieligen Silberbecherchen lilafarbenen Likör. Einer von den Kerlen, der unentwegt
    Petit fours in sich hineinstopfte und wie das Bildnis des Dorian Gray einige Jahre nach dem Mord an Basil Hallward aussah, erinnerte mich an jemand, ohne daß ich ihn unterzubringen wußte. Am kleinen Finger seiner fetten Hand blitzte ein erbsengroßer Brillant, und zwei kleinere Brillanten versprühten ihr Feuer in seinen Manschettenknöpfen. An dem Tisch ging es um ein Papier wie an einem besonders turbulenten Tag an der Börse zu, sie rissen es sich aus den Händen, brüllten Zahlen in die Gegend, die selbst dem an Milliardenbeträge gewöhnten Ohr astronomisch klangen - und dann war es der Brillantenheini, der sie alle überbot, das Papier

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