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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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nicht.»
      «Doch, das tust du, du machst dich auf die Suche nach Fotomotiven.»
      Er schüttelte den Kopf, weil er wusste, dass es stimmte. Nicht dass er irgendwelche Motive finden würde.
      «Lass mich nur nicht allein mit ihr, okay?»
      «Arlene ist doch da.»
      «Und was ist mit Meg?»
      «Die kommt wahrscheinlich erst gegen Abend.»
      «Interessant, dass sie immer als Letzte kommt und wir immer als Erste da sind.»
      «Was soll ich dazu sagen?», fragte er. «Ich bin der gute Sohn.»
      «Da würde man nie drauf kommen, wenn man sieht, wie sie dich behandelt.»
      «Ich kann's verkraften.»
      «Das sollte aber nicht nötig sein.»
      Er zuckte mit den Schultern. So schlimm war sie gar nicht. Sie war seine Mutter, das konnte er sich nicht aussuchen.
      Sie überquerten die Brücke, er verließ die 17 und wartete an dem Stoppschild, bis die Straße frei war (das Schild war verbogen und zerkratzt, als wäre es von einem Lastwagen gestreift worden, die Kratzspuren voller Rost; dafür würde er sein Weitwinkel brauchen, aber er sah bereits vor sich, wie langweilig das Foto aussehen würde, wie aus den Sechzigern). Hinter ihm schauten Ella und Sam aus dem Fenster, hinüber zu Hogan's Hut, einer Mischung aus Tankstelle, Gemischtwarenhandlung und Eisdiele, wo sie auf der Hinfahrt manchmal anhielten. Er hatte vorgehabt, ihnen nach neun Stunden Autofahrt eine Abwechslung zu gönnen, hatte sich schon seit Binghamton darauf eingestellt, doch es war einfach zu spät. Er bog ab und trat das Gaspedal durch, konzentrierte sich auf die Gangschaltung, sah durchs Sonnendach nach den Fahrrädern und beobachtete, wie Hogan's Hut im Rückspiegel immer kleiner wurde - zum Glück protestierten die Kinder nicht.
      Das hier war nicht schwierig gewesen. Doch sobald Meg mit ihren Kindern ankam, würde Chaos herrschen, und seine Mutter war den Lärm nicht gewohnt. Die ganze Woche würde er zwischen allen Stühlen sitzen, genau wie als Kind, würde versuchen, Konflikte zu entschärfen oder wenigstens das Unvermeidliche hinauszuzögern, und dann würde man ihm vorwerfen, er habe sich für die falsche Seite entschieden, obwohl er doch bloß den Frieden bewahren wollte. Er begriff nicht, wie sein Vater das ein Leben lang geschafft hatte. Ken musste bloß diese Woche überstehen, musste bloß die Stunden zählen, wie er es als kleiner Junge getan hatte.
      Als Meg einmal im Sommerlager gewesen war, hatte er jeden Dienstag und Donnerstag im Putt-Putt verbracht; sein Vater hatte ihn hingebracht und wieder abgeholt. Dort gab es den ganzen Tag Preise zu gewinnen; seine Taschen waren voller Rabattgutscheine gewesen. Mittags hatte er Milky Ways gegessen. Die Zeit war wie im Fluge vergangen, und aus den Lautsprechern waren «Hold Your Head Up» und «Uncle Albert/Admi-ral Halsey» erklungen, die Woche für Woche auf Platz 1 und 2 gestanden hatten. Zwischen den Songs war Musik aus den Übungshütten auf der anderen Straßenseite rübergeweht, schrille Rohrblattinstrumente und die dunklen Töne der Hörner. Am Ende des Sommers hatte er alle Bahnen beherrscht, sein Resultat auf etwas mehr als dreißig Schläge heruntergeschraubt und sogar ein Turnier gewonnen. Seine Mutter besaß ein ausgeblichenes Foto von ihm, auf dem er mit seiner Trophäe lächelnd vor der Windmühle stand (die Trophäe war noch in Pittsburgh, in dem Mansardenzimmer, in das er gezogen war). Er war so stolz gewesen, hatte sich gefühlt wie ein Glückspilz. «Ich hätte dich nicht erkannt», hatte Lise gesagt, als sie das Foto sah. Er hätte dasselbe sagen können. Den Jungen, der die Trophäe hochhielt, gab es nicht mehr.
      Er fragte sich, ob er je wieder so glücklich sein würde. Glücklich über Ella und Sam vielleicht, aber das war eine andere Art von Glück.
      An der Boston University hatte es ihn fasziniert, sich wieder in Lichtstudien und langen Gesprächen über Kunst und seine Lieblingsfotografen zu verlieren, doch die Arbeiten, die er dort angefertigt hatte, waren ihm inzwischen peinlich, kamen ihm steril und gestelzt vor, bloß wie eine Ausweitung seiner technischen Fähigkeiten. Der Blick, zu dem ihm Morgan verhelfen wollte, hatte sich verflüchtigt. Seine neuen Sachen waren auch nicht viel besser, und nach den Rückschlägen der letzten paar Jahre musste er sich eingestehen, dass er vielleicht nicht talentiert genug war. Die Liebe, sein Glück mit Lise hatten ihm schon einmal den richtigen Blick verliehen. Konnte das

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