Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
kaum damit.
      Seine Mutter und Tante Arlene kamen aus dem Haus, und Rufus sprang um sie herum. Seine Mutter lachte und sagte etwas.
      Er ließ das Fenster runter.
      «Ihr habt Probleme mit dem Baum, wie ich sehe», sagte sie.
      «Ich muss bloß zurücksetzen. Wenn du uns Rufus so lange vom Leib halten könntest.»
      Verstimmt trat sie beiseite, denn sie verstand es nicht als Scherz. «Dann mal los», sagte sie, «er ist weg.»
      Er blickte über die Schulter und sah, dass Ella die Stirn runzelte, den Kopf gesenkt, als wäre ihr seine Fahrerei peinlich.
      Er ließ die Kupplung kommen. Die Zweige schlugen gegen die Speichen, knallten aufs Dach, rissen sich dann sirrend los und ließen Blätter herabregnen.
      «Alles klar?», rief er.
      «Alles klar», bestätigte seine Mutter, und er stellte den Motor ab.
      «In Ordnung», sagte Lise zu den Kindern, «alle helfen, das Gepäck reinzubringen.»
      Die drei nahmen die Sache gemeinsam in Angriff, Lise gab die Taschen heraus, froh, dass sie etwas zu tun hatte, und überließ Ken die Begrüßung seiner Mutter.
      Sie kam lächelnd auf ihn zu, und aus Gewohnheit beugte er sich vor, schlang die Arme um ihre knochigen Schultern. Er brachte es nicht fertig zu sagen, dass sie gut aussehe, denn jedes Mal, wenn er sie jetzt sah, erschütterte ihn ihr hagerer Körper. Er umarmte sie nur flüchtig und fragte in zu ernstem Ton: «Wie geht es dir?»
      «Ich bin noch ziemlich mitgenommen, aber ich werd's überstehen. Und was ist mit dir ? »
      «Mir geht's genauso.»
      Das war nicht gelogen. Irgendwann würde der richtige Augenblick kommen, um ihr von dem Job zu erzählen.
      «Ich freue mich so, dass Lisa mitkommen konnte.»
      «Sie wollte es nicht versäumen», sagte er und merkte, wie falsch das klang. «Die Farbe sieht gut aus.»
      «Natürlich. Jetzt, wo wir das Haus verkauft haben, sieht es toll aus.»
      Lise kam mit den Blumen in der einen und einem Matchbeutel in der anderen Hand, Kens Kameratasche über der Schulter. Seine Mutter nahm den Strauß widerstrebend entgegen und berührte sie am Arm, als würde sie Lise beim Fangenspielen abschlagen. «Ich bin so froh, dass du mitkommen konntest.»
      «Sei nicht albern, Emily», sagte sie und ging auf die Tür zu.
      Sam befreite sich aus einer Umarmung von Grandma, während Ella, die erwachsen wirken wollte, seine Mutter lange umarmte und ihr tröstend den Rücken tätschelte. Sie waren beide groß und knochig, und ihre Brillen sahen fast gleich aus. Obwohl er und Lise immer sagten, wie viel Ella von seiner Mutter hatte - die Launenhaftigkeit, die Liebe zu Büchern -, hatte ihre Ähnlichkeit, wenn sie sich gegenüberstanden, fast etwas Komisches, zwei Schwestern, getrennt durch sechzig Jahre.
      Arlene roch nach Zigaretten und gab ihm einen Lippenstiftkuss auf die Wange. Sie beugte sich verschwörerisch vor.
      «Ich weiß nicht, ob's dir deine Mutter gesagt hat, aber wir hätten dieses Jahr gern einen Stopp für Videospiele.»
      «Lise hat ihnen schon eine Standpauke gehalten.»
      «Wie haben sie's aufgenommen?»
      «Ella hat nichts dagegen, das war zu erwarten. Und Sam, na ja ...»
      «Ich glaube, das wird kein Problem, solange es nicht regnet.»
      «Wie ist denn die Wettervorhersage?», fragte er, aber niemand wusste es.
      Sie begrüßten auch Rufus, und Ella kniete sich hin und schlang die Arme um ihn. Er lag im Schatten der Kastanie, während sie ihre Tennisschläger und Schlafsäcke ausluden, Sams Rucksack voller Krieg der Sterne-Legos und Pokemonkarten, der von Ella voll gestopft mit Nagellackfläschchen und entliehenen Büchern. Merck hatte Ken manchmal in das Werk in Baltimore geschickt, dabei hatte er gelernt, wie man die Sachen für eine Woche in einer einzigen Tasche unterbrachte. Irgendwann würden seine Kinder lernen müssen, sich zu entscheiden, auf bestimmte Dinge zu verzichten. Er befürchtete, dass seine Nachsicht irgendwann schlimme Auswirkungen haben würde, und führte sie darauf zurück, dass seine eigene Kindheit größtenteils idyllisch gewesen war und er die Härte des Lebens erst mit Mitte zwanzig kennen gelernt hatte, als wäre er bis dahin von seinen Eltern in einen Kokon gehüllt worden, der zu gleichen Teilen aus Liebe und Geld bestand.
      Als er die Taschen durchs Wohnzimmer trug, wollte er sich die vertrauten Bilder von Segelbooten, den hässlichen orangen Zottelteppich, das Mobile aus spanischen Galeonen, das einem

Weitere Kostenlose Bücher