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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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liegen ließ.
      Sarah zog das Streichholz über die Zündfläche, und es fing Feuer. Ella zuckte mit den Schultern, und Sarah warf es in den Kamin, wo es noch immer gefährlich flackerte. «Jetzt du.»
      «Was?»
      «Zünde eins an.»
      «Warum?»
      «Tu's einfach», sagte Sarah.
      Ella tat so, als fände sie das langweilig. «Na und?»
      Sie blies es aus, bevor sie es auf den Kaminrost warf. Auch das Streichholz von Sarah war inzwischen aus. Beide lagen auf dem Rost, Beweisstücke gegen sie.
      «Hast du noch nie geraucht?», fragte Sarah.
      «Warum sollte ich?»
      «Hast du'sje probiert?»
      «Nein.»
      «Ich schon.» Sarah beugte sich näher heran, als wäre es ein großes Geheimnis. Das gefiel Ella. «Ich hab bei jemandem als Babysitterin gearbeitet, und da lag noch eine halbe Zigarette im Aschenbecher.»
      «Ihh.»
      «Ja das war ganz schön krass. Keine Ahnung, wie meine Mom das verträgt. Komm, ich muss dir was zeigen.» Sie lief die Treppe rauf, als wäre es ein Spiel, und Ella rannte hinterher.
      Sarah kniete neben dem Bett ihrer Mutter und öffnete den Reißverschluss an deren Rucksack. Sie kramte darin herum, der ganze Arm verschwunden.
      «Was suchst du?»
      «Moment», sagte Sarah und hielt dann inne. «Okay, fertig? Mach die Augen zu.»
      «Warum denn?»
      «Mach sie einfach zu.»
      «Okay.»
      «Und jetzt streck die Hände aus.»
      Ella gehorchte. Sie schwankte, als würde sie stürzen.
      «Lass die Augen zu.»
      Sarah legte etwas Leichtes aus Papier in ihre Hände. Es wog so gut wie nichts.
      «Was meinst du, was das ist?»
      «Eine Zigarette.»
      «Nee. Aber gut geraten.»
      «Irgendein Origami?»
      Sarah lachte. «Mach die Augen auf.»
      Es war eine Zigarette, aber selbst gedreht, ein Joint wie in ihrem Hygienebuch. Der erste, den sie leibhaftig zu Gesicht bekam. Sie ließ ihn fallen, als wäre er angezündet, und Sarah lachte sie aus und warf sich aufs Bett.
      «Das ist nicht witzig», sagte Ella. Der Joint lag auf dem Boden, verfangen im knäueligen Garn des Teppichs. «Gehört der deiner Mom?»
      «Klar. Seit sie aufgehört hat zu trinken, ist sie dauernd bekifft.»
      Ella setzte sich neben sie aufs Bett und ließ sich zurücksinken, sodass sie beide die schräge Decke über ihnen betrachteten.
      «Das ist ja ätzend.»
      «Wem sagst du das.»
      «Du kiffst nicht, oder?»
      Sarah richtete sich auf und sah Ella an, als wäre das eine dumme Frage, dann ließ sie sich wieder aufs Bett sinken. «Sie sagt, es ist ungefährlicher als Trinken. Da drin ist auch eine Pfeife.»
      Ella wollte sagen, dass es ihr Leid tat, aber das wollte Sarah bestimmt nicht nochmal hören. Sie war wütend auf Tante Margaret. Die sollte lieber versuchen, sich zu erholen. Wer würde sich um Sarah und Justin kümmern, wenn sie verhaftet wurde? Plötzlich wurde Ella bewusst, dass sie nebeneinander lagen, dass sie bloß auf die Seite rollen und Sarah umarmen musste. Sie erstarrte, weil sie merkte, dass sie ganz dicht zusammen lagen und ihre Schultern sich fast berührten.
      «Ja», sagte Sarah, «sie erstaunt mich immer wieder. Ich denke ständig, ich komme irgendwann nach Hause, und sie liegt auf dem Küchenfußboden oder bei laufendem Wasser in der Badewanne.»
      «Ist es so schlimm?», fragte Ella.
      «Es ist besser als früher. Ich weiß nicht.» Sarah streckte die Arme zur Decke und ließ sie wieder sinken. « Hast du schon mal Whisky getrunken?»
      «Nein.»
      «Bier?»
      «Nee.»
      Beim Grillen hatte ihr Dad ihr schon öfter einen Schluck aus seiner Flasche angeboten, aber sie hatte keine Lust drauf gehabt.
      «Ich auch nicht», sagte Sarah und rollte auf die Seite, den Ellbogen ausgestellt und den Kopf in die Hand gestützt. Sie schaute Ella direkt an, ihr Lächeln glich einer Herausforderung, nichts als strahlende Zähne, und wie in ihrem Traum dachte Ella, dass sie sich vorbeugen und sie küssen könnte.
      «Hast du Lust drauf?»
      Egal, wonach Sarah fragte, Ellas Antwort hieß ja.
     
     
* 18
     
    «Was meinst du dazu, Mutter?»
      «Ich meine gar nichts», beteuerte Emily, und in der Euphorie ihres ersten Glases Wein schüttelte Lise den Kopf um nicht lachen zu müssen. «Ich begreife bloß nicht, warum sich jemand so etwas antut.»
      «Das begreifst du nicht», wiederholte Meg, um sie aus der Reserve zu locken.
      «Ich hab irgendwo gelesen, dass es ein Stammesbrauch

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