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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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aufhören sollte, sich wie ein kleines Kind zu benehmen. «Die tut dir nichts, ist bloß eine Fliege.»
      «Ich krieg sie», verkündete Sam und stellte den Teller klirrend auf den Tisch, um von drinnen die Fliegenklatsche zu holen.
      «Setz dich und iss dein Abendessen», befahl Tante Lisa mit ausgestrecktem Finger, und er seufzte.
      «So viel Lärm um eine kleine Fliege», sagte Tante Arlene in dem Versuch, witzig zu sein.
      Es war nicht witzig. Sarah bedauerte die Schüler, die sie als Lehrerin gehabt hatten.
      Onkel Ken war fertig - er war der schnellste Esser - und ging ins Haus. Als er wieder rauskam, hatte er die Fliegenklatsche dabei.
      «Nicht solange wir essen», sagte Tante Lisa, also ließ er die Tür offen, als würde die Fliege von allein rausfliegen.
      «Wisst ihr, was ich gedacht habe », verkündete Grandma laut, sodass sich ihr alle zuwandten, und Sarah wusste, das bedeutete Ärger. Grandma war groß im Pläneschmieden. «Ich habe gedacht, wenn es morgen wieder so scheußlich ist, könnten wir einen Tagesausflug zu den Wasserfällen machen. Soweit ich weiß, haben die Kinder sie noch nie gesehen.»
      «Niagara Falls?», fragte ihre Mutter, als wäre der Gedanke verrückt.
      «Im Regen?», fragte Tante Lisa. Sarah merkte, dass sie genauso dachte, und drückte ihr die Daumen, obwohl sie es bizarr fand dass sie auf derselben Seite standen. Es war bestimmt langweilig den ganzen Weg zu fahren, bloß um sich was anzusehen, das alle anderen ganz toll fanden, für sie aber uninteressant war. Sie wusste, dass ihre Mutter und Tante Lisa sie und Ella nicht allein im Haus lassen würden.
      «Dann kommen wenigstens nicht so viele Leute», sagte Grandma. «Von der Gischt wird man dort sowieso nass.» Als sich niemand dazu äußerte, sagte sie: « Es ist bloß ein Vorschlag. Ich glaube, die meisten von uns wissen nicht mehr, was sie anfangen sollen. Zumindest mir geht es so. Wenn natürlich niemand daran Interesse hat...»
      «Ich hab Interesse», erwiderte ihre Mutter, «ich muss mich bloß erst drauf einstellen.»
      «Ich glaube, die Kinder sind in einem Alter, in dem sie es zu würdigen wissen.»
      Ihre Mutter wirkte unentschlossen, als müsste die Sache einen Haken haben.
      «Ich würde gern mal wieder hinfahren », sagte Tante Arlene. «Das ist doch ganz in der Nähe.»
      «Von hier», sagte Onkel Ken, «dauert es keine zwei Stunden.»
      Während sie darüber sprachen, wie weit es war, machte Sarah Ella auf sich aufmerksam. Wie sie saß Ella über ihren Teller gebeugt und aß, hielt sich aus allem heraus und hoffte, die Erwachsenen würden die richtige Entscheidung treffen, aber das Rollen ihrer Augen verriet Sarah, dass Ella genauso gespannt war. Ihrer Mutter begann die Idee zu gefallen, und sie sagte, es könnte Spaß machen, und Ella streckte die Zunge raus, als fände sie das Steak eklig. Sarah hätte fast losgelacht, musste husten und wegschauen, aufs Wasser hinaus. Sie dachten beide dasselbe: Sie waren total angeschmiert.
      «Ihr könnt dort tun, was ihr wollt», sagte Grandma. «Ich möchte aus sentimentalen Gründen noch einmal hin. Ich bin nicht daran interessiert, weil es ein Naturwunder ist, aber ich habe gedacht, ihr könntet euch ausgeschlossen fühlen, wenn Arlene und ich allein fahren.»
      «Was können wir sonst noch machen, wenn's regnet?», fragte ihre Mutter.
      «Und es wird regnen», sagte Tante Arlene bestimmt.
      «Können wir mit dem Boot fahren?», fragte Sam.
      «Natürlich», antwortete Grandma. «Man kann nicht nach Niagara Falls fahren, ohne die Bootstour zu machen. Wir gehen auch in die Höhlen runter, direkt hinter dem Wasserfall. Ihr müsst Regenjacken anziehen.»
      «Wann würden wir aufbrechen?», fragte Onkel Ken, und sie fingen an, Pläne zu schmieden. Sie würden den Bus und den Geländewagen nehmen; da würden alle reinpassen. Sarah stellte sich vor, vier Stunden mit Grandma, Tante Arlene, Justin und ihrer Mutter im Bus zu sitzen.
      «Können Ella und ich hier bleiben?», fragte sie.
      «Nein», sagte ihre Mutter, und es klang endgültig.
      «Kann ich dann neben Ella sitzen?»
      Ella unterstützte sie.
      Ihre Mutter sah Onkel Ken an, der nickte.
      «Klar», sagte sie stirnrunzelnd, als wäre Sarah mal wieder ungestraft davongekommen.
      «Na, das dürfte ein richtiges Erlebnis werden», sagte Grandma, als wäre sie überrascht, ihren Willen zu bekommen.
      Tante Lisa sagte nichts, sie

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