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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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hatte, den Menschen, der sie damals gewesen war. Sie versuchte, sich von diesem Menschen zu befreien, und es klappte nicht.
      An der Vergangenheit konnte sie nichts ändern, sie konnte sich bloß entschuldigen und weitermachen. Vorwärts, nicht rückwärts, keine Ausreden.
      Die Schlange schlurfte wie eine Herde durch das Labyrinth der Gänge, und Meg schnippte die Asche von ihrer Marlboro und verschränkte die Arme, als würde sie frieren. All diese Leute, die ihren Urlaub vergeudeten. Sie suchte in den Gesichtern der Erwachsenen nach einem ungekünstelten Lächeln und war nicht überrascht, als sie keins entdecken konnte. Sie konnte ihnen keinen Vorwurf machen; es war wirklich ein grässlicher Tag.
      Und da kam Justin, das Hemd vorn in die Hose gestopft, aber glücklich, sie zu sehen, froh, dass er es geschafft hatte.
      «Geht's dir besser?», fragte sie stichelnd. Sie widerstand dem Drang, sein Hemd in Ordnung zu bringen.
      «Worauf warten wir denn?»
      «Deine Schwester und Ella mussten auch.»
      «Wo sind die anderen?»
      «Die sehen sich im Souvenirladen um.»
      «Haben wir noch Zeit, ins Believe It or Not-Museum zu gehen?»
      Es war kurz vor fünf. «Wahrscheinlich nicht, Sportsfreund. Tut mir Leid.»
      Es schien ihm nichts auszumachen, aber es sah ihm ähnlich, sich nicht zu beklagen. Er stand neben ihr und beobachtete, wie die Leute vorbeirauschten, die sonnengebräunten Mütter und Väter in ihrer provisorischen Regenkleidung. Alle bemühen sich, dachte sie. Keiner hat's leicht.
      «Hey», sagte sie. «Hab ich dir schon mal gesagt, dass du ein guter Junge bist?»
      «Ja?», fragte er unsicher, als könnte es ein Trick sein.
      «Na klar.»
     
     
* 10
     
    Seine Mutter beobachtete ihn, also sah sich Sam die Nummernschild-Schlüsselkette mit seinem Namen lange an, bevor er sie zurücklegte. Es gab Körbe voller Flummis, Gummischlangen und rosa Geldbeutel, Miniaturkartenspiele, Kugelschreiber, in denen die Maid of the Mist hin und her glitt, Riesenbleistifte, die so groß waren, dass er sie nicht richtig halten konnte, und überall rote Ahornblätter drauf. Als er in den nächsten Gang bog, folgte sie ihm.
      Sie hatten beide fünf Dollar gekriegt, um sich was zu kaufen, das ihnen gefiel, aber das Metallteleskop, das er haben wollte, kostete 6,99 Dollar, und die Ungerechtigkeit nagte an ihm. Wenn er das gewusst hätte, hätte er Geld von zu Hause mitgenommen. Er hatte noch zwanzig Dollar von seinem Geburtstagsgeld übrig.
      Er hielt den Kopf unten, damit sie ihn nicht sehen konnte. Filzwimpel, Tüten voller Glasmurmeln, Wasserpistolen, Rugrats-Fingerpuppen. Er sah vor sich, wie er den Soldaten mit seinem Plastikfallschirm draußen über die Mauer warf und zuschaute, wie er zum Wasser runterschwebte. Er konnte sich fünf Stück kaufen und sie alle über die Mauer werfen, wenn sie ihn nicht daran hindern würden. Das war alles blödes Zeug. Mit einem Teleskop konnte er zu Hause von seinem Fenster aus Mrs. Parmenter nachspionieren.
      Sein Vater sprach jetzt mit seiner Mutter und gab ihr ein bisschen Geld.
      Geh weg, wünschte er und tat so, als würde er sich Bleistiftspitzer ansehen. Er ließ die Zunge in das Loch gleiten, in dem sein Zahn gesessen hatte, das Blut süß wie Barbecue-Soße. Geh weg, geh weg.
      Es war Zauberei, genau wie Ella gesagt hatte, denn sie ging weg, und sein Vater kam den Gang entlang.
      «Wie sieht's aus?», fragte er, und Sam zuckte mit den Schultern. «Kannst du nichts finden?»
      «Ich weiß nicht.»
      «Naja, such dir was aus, denn wir müssen langsam los.»
      Seine Zunge glitt wieder in das empfindliche Loch. «Es gibt was, aber es ist zu teuer.»
      «Wie viel kostet es?», fragte sein Vater und dann: «Was ist es denn ?»
      «Ein Teleskop», sagte Sam und führte ihn hin.
      Er wünschte sich, dass sein Vater es nahm und durchguckte, aber der sah sich nach seiner Mutter um, die drüben bei den Kaffeebechern stand.
      «Ich könnte mein Zahngeld benutzen.»
      «Weiß die Zahnfee denn, dass du in Chautauqua bist?»
      «Dann wären es bloß noch neunundneunzig Cent.»
      «Plus Steuer», fügte sein Vater hinzu. «Es sei denn ...» Er langte an den aufgestapelten Schachteln vorbei und berührte das Preisschild. Sam begriff nicht.
      «Es sind kanadische Dollar.»
      Sein Vater erklärte ihm, dass das kanadische Geld anders war, dass es nicht so viel wert war.
      «Wie viel kostet es dann ?

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