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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ohne einen Besuch nicht vollständig wäre. Es gehörte genauso zu Chautauqua wie der Freitagabend bei Webb's oder die Vormittage, die er im Putt-Putt verbracht hatte, um seinen Schlag zu verbessern. Und Meg brauchte nicht zu widersprechen und zu sagen, dass ihr der Park und die traurige Außenseiterin, die sie damals gewesen war, äußerst zuwider waren. Morgen würde er anbieten, selbst hinzufahren, und sie würde sich erweichen lassen und sie durch den Rundgang hetzen, kein einziges Mal den Weg verlassen, eine frische, dürftige Tradition, über die die Kinder lachten, weil sie nicht wussten, dass das grausam war.
      «Wo sollen denn die Meteoritenschwärme zu sehen sein?», fragte Meg.
      «Im Osten», erwiderte er steif und schwamm gegen die warmen Strömungen in seinem Kopf an. Er hatte Angst, er könnte etwas Dummes oder Unverständliches sagen und sich verraten. «Sie haben gesagt, zwischen zwei und fünf wäre es am besten, aber Einzelne müssten auch jetzt schon zu sehen sein.»
      Die Worte waren für seinen Mund nicht geeignet, sie wirkten glatt und vorgefertigt, seltsame Sprechblasen, die sich in Luft auflösten und eine Bedeutung hinterließen. Es war wohl eine neue Grassorte gewesen.
      Er sah nach, ob die Sterne sich bewegten, erst in einem Teil des Himmels, dann in einem anderen. Lise ergriff seine Hand, während sie aufblickten, verschränkte ihre Finger mit seinen, und er dachte, dass er nicht mehr mit Meg würde reden können. Alles, was sie bis jetzt gesagt hatte, war wegen Lise zensiert gewesen und sollte seine Neugier anstacheln, so wie seine Mutter sie immer auf die Folter spannte, egal, ob es ums Abendessen oder um das Testament seines Vaters ging. Vielleicht drehte sich in ihrer Familie alles um Aufmerksamkeit, dieses kindliche Verlangen - auch seine Fotos, sein Streben nach Anerkennung und sein mangelnder Erfolg. Diesen Gedanken konnte er nicht dem Bekifftsein zuschreiben.
      «Ich sehe ein Flugzeug», verkündete Meg. «Zählt das auch?»
      «Ich sehe zwei», sagte Lise und half ihnen, das andere zu finden.
      Ein paar Häuser weiter zur Landspitze schaltete jemand auf dem Steg das Licht an und dann gleich wieder aus, ein Versehen.
      Die Glocke tönte über das Wasser.
      «Seht ihr irgendwas?»
      «Nee.»
      «Nichts da.»
      Er sah bloß, wie ein leuchtender Stern blinkte, als gäbe es eine Störung in der Linse der Atmosphäre, wie bei einem Wassertropfen, der das Licht auf eine Seite zog und es dann losließ, alles in einem Augenblick, immer wieder. Er dachte daran, welche Strecke sie bis hierher zurückgelegt hatten und wie viel weiter der Weg seiner Mutter und Arlenes war, ihr Leben hinter sich her schleppend, voller Erinnerungen an irgendwelche Räume, obwohl ihm nur seine eigenen einfielen - die Collegewohnungen in Boston, ihr Wohnzimmerfenster, das auf die sonnige Beacon Street hinausging, das Strandhaus von Lises Eltern. Zwanzig Jahre. Der Gedanke ermüdete ihn.
      Meg zündete sich mit einem Bic eine Zigarette an, ihr Gesicht und ihre Hände blitzten auf und verschwanden dann wieder. «Mir tut der Nacken weh. Ich glaube, das sollte man im Liegen machen.»
      «Da hast du wahrscheinlich Recht», sagte Lise, aber keiner von ihnen rührte sich, deshalb verzichtete er auf den Vorschlag, die Decke zu holen.
      Morgen würde er - irgendwie - Zeit finden, um das Putt-Putt zu fotografieren. Vielleicht würde er in die Eisenwarenhandlung fahren, um Feuerzeugbenzin zu besorgen. Von Tracy Ann Caler gab es nichts Neues, was vermutlich auch so bleiben würde. Die Flugblätter würden an den Telefonmasten verblassen, die Fetzen von Heftklammern festgehalten.
      Das restliche Bier war warm, und er wollte keins mehr trinken, ein Zeichen, dass der Abend vorbei war. Lise trank ebenfalls aus.
      «Na los», sagte er, «schwärmt endlich!»
      Verlegen drückte Lise seine Hand.
      Hoch oben zogen die lautlosen Flugzeuge Linien zwischen den Sternen. Sie drehten sich alle nach der Glocke um. Er überlegte, ob er das als Vorwand nehmen sollte; morgen würde ein langer Tag werden.
      Meg streckte sich und ließ den Blick schweifen, als wollte sie nach dem Wetter sehen.
      «Tja», sagte sie und schlug sich mit den Händen auf die Knie, «sieht nicht so aus, als würde sich heute noch was tun.»
      Bevor er ihr beipflichten konnte, stand sie auf, verabschiedete sich und trottete davon - so plötzlich, dass Lise, sobald Meg verschwunden war, sich bestimmt

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