Abschied von Chautauqua
laut fragen würde, ob sie etwas getrunken hatte. Das stimmt nicht, dachte er. Es war großzügig von ihr zu gehen, und er war ihr dankbar. Es bedeutete, dass er sich - zumindest heute Nacht - nicht zwischen ihnen beiden entscheiden musste.
* 22
Mitten in der Nacht stand Sarah auf, um zu pinkeln. Der Ventilator hörte sich an wie ein Zug. Die Ellbogen auf den Knien, das Gesicht in die Hände gestützt, saß sie neben dem orangen Nachtlicht auf der Toilette. Durchs Fliegenfenster wehte ein leichter Wind, der Mond stand über der großen Kiefer, und sie dachte an Mark, ob er noch wach war, mit wem er zusammen war. Sie dachte an die Schule und war jetzt froh, dass alles neu sein würde. Die Leute würden trotzdem reden, aber nicht so viel.
Sie musste sich nicht mehr Korn oder die Deftones anhören. Sie musste weder zu seinen blöden Eishockeyspielen gehen noch mit seinen Eltern zu Abend essen. Sie war frei.
Sie war fertig, saß aber noch da und betrachtete den Schatten eines kleinen Nachtfalters, der herzförmig und reglos unter den anderen Insekten am Fliegenfenster saß. Die anderen krabbelten auf dem Fliegendraht oder prallten dagegen, waren in Bewegung, während der Nachtfalter wie angeklebt sitzen blieb, als wäre er tot. Worauf wartete er?
Samstag
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
* 1
«Kommt schon», sagte Grandma, «helft mir, diese Dinger aufzubrauchen», also gab es Eier statt Lucky Charms. Sie mussten leise sein, damit sie die anderen nicht weckten. Ohne einen Erwachsenen durften sie nicht auf den Steg. Sie durften nicht mit ihren Game Boys spielen - da mussten sie erst ihre Mütter fragen.
Später wollten sie Tennis spielen, aber das Federballnetz hing ständig durch, und dann schlug Sam den großen Wiffleball in den See, und Tante Arlene musste ihre Flip-Flops ausziehen und ins Wasser waten, um ihn zu holen.
«Das bekommt den Schlägern bestimmt nicht», sagte sie. «Warum spielt ihr nicht eine nette Partie Krocket?»
Nach dem letzten Abend wollte Justin Golf spielen, aber Grandma sagte, die Schläger in der Garage seien teuer und nichts für Kinder. «Warum fahrt ihr nicht ein bisschen Fahrrad?», fragte sie.
Sam konnte besser fahren als Justin und tat ständig so, als würde er in ihn reinkrachen, latschte aber im letzten Moment auf die Bremse, schleuderte herum und hinterließ breite Rutschspuren. Einmal bremste er zu scharfund hätte Justin fast umgeworfen.
«Hör auf!», rief Justin. «Idiot.»
«Hu hu hu», sagte Sam und machte es nochmal.
«Lass das!»
«Sei nicht so ein Spasti.» Sam brauste los, blieb dann fast stehen, drehte um und fuhr hinter ihn.
Justin versuchte, ihn nicht zu beachten. So ganz allein hier draußen war es still. Insekten flogen durch die Sonnentupfen auf dem Rasen. Er war froh, dass es der letzte Tag war.
Zu Hause warteten im Keller seine Play Station und ihr alter Kühlschrank voll Ginger Ale und Hi-C auf ihn. In den Schränken oben gab es Pop-Tarts und Easy Mac, und bei schönem Wetter würde Sarah mit ihm ins Schwimmbad gehen. Wenn Michael Schulz schon aus dem Urlaub zurück war, konnten sie zum Turtle Pond fahren und von der Brücke aus angeln. Bis auf Sonntag lief jetzt jeden Tag Pokémon im Fernsehen, und nächstes Wochenende würde sein Vater in seinem Camaro mit ihnen irgendwohin fahren, vielleicht zu einem Tigers-Spiel in dem neuen Stadion, das echt cool aussah. Er konnte lange aufbleiben, weil noch keine Schule war, und dann würde er mit seiner Taschenlampe unter der Bettdecke lesen, bis seine Mutter ihm sagte, dass er das Licht ausschalten sollte.
Sam kam vorbeigerast und trat angeberisch vor ihm auf die Bremse. «Lass uns ein Wettrennen zum Jachthafen machen.»
«Okay», sagte Justin und ließ ihn fahren.
Sam drehte sich um. «Los.»
«Dein Fahrrad ist schneller als meins.»
«Ich geb dir Vorsprung.»
«Wieviel?»
Während sie feilschten, kamen sie an der Abkürzung zu den Fischteichen vorbei. Es war nicht besonders weit, bloß um die Kurve und dann die lange Gerade entlang. «Zum Dock oder bloß bis zum Parkplatz?»
«Zum Dock.»
Er dachte, dass er ihn bei einem Vorsprung von zehn Sekunden schlagen könnte.
«Okay», sagte Sam, «zehn Sekunden. Ab ... jetzt.»
Es dauerte bis dreiundzwanzig, bevor Justin endlich in Schwung kam und das ganze Rad sich bei jedem Tritt in die Pedale erst
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