Abschied von Chautauqua
weder nach Panama Rocks noch zum Tubing oder zu dem blöden Abendessen bei Webb's, sie wollte bloß hier liegen, bis es Zeit für das Feuerwerk war, und dann schlafen gehen, morgen aufstehen und abreisen.
Zu Hause würde es niemand erfahren. Wenn sie allein war, würde sie an Sarah denken, aber sobald die Schule anfing, war sie beschäftigt. Sie würde sie nicht vergessen, so viel Glück hatte sie bestimmt nicht, doch ihr Gefühl würde nicht die ganze Zeit so stark sein - wenigstens hoffte sie das. Wenn doch, dann wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie hatte Sarahs E-Mail-Adresse, sie konnte sie anrufen, aber sich am Telefon zu unterhalten war noch schwerer als von Angesicht zu Angesicht.
Sie stellte sich vor, wie Sarah während des Feuerwerks ihre Hand nahm - wie auf der Party in ihrem Traum -, und wie sie sich im Dunkeln küssten, ohne dass jemand es merkte.
Das Wasser hörte auf zu laufen. Sarah würde einen Augenblick dastehen, damit alles abtropfte, würde dann die Tür aufmachen und sich mit einem Handtuch abtrocknen, sich bücken, um ihre Beine abzurubbeln, und das Haar in einen Turban wickeln.
Ella schüttelte den Kopf und schob, verärgert über die im Schlafsack eingeschlossene Hitze, die Kapuze weg. Heute würde sie den ganzen Tag mit ihr zusammen sein, aber im Beisein der anderen, und morgen fuhr sie weg. Der Gedanke löste dieselbe panische Angst aus, die sie seit Niagara Falls verspürte. Es war, als wäre einem schlecht, wie die beunruhigenden Wellen der Übelkeit, die einen warnten, bevor man sich übergeben musste. Aus Reflex drängte sie das Gefühl zurück. Der nächste Tag würde eine Erleichterung sein, obwohl ihr nicht klar war, wie sie die Wochen vor Schulbeginn überstehen sollte. Sie sah bloß ihr Zimmer vor sich, das gemachte Bett, den Tag, der sich vor ihr erstreckte, ohne dass sie irgendwohin gehen konnte.
Im Bad schnäuzte sich Sarah die Nase - mit Toilettenpapier, das wusste Ella. Sie würde es in die Toilette werfen, nicht in den Papierkorb, denn das fanden sie beide ekelhaft.
Dann ging die Tür auf, Sarah stand in ihrem Nachthemd da, an der Hüfte ein nasser Fleck, und selbst im Liegen achtete Ella auf ihre Körperhaltung.
«Das Bad gehört dir», sagte Sarah.
Ella gehorchte, setzte dann bei geschlossener Tür ihre Brille ab und rieb sich die Augen. Als sie in den Spiegel blickte, war sie von ihrem Haar enttäuscht, als hätte es ihr Gesicht retten können.
Es war sowieso egal.
Das Wasser war noch heiß, und sie hängte ihren Schlafanzug an den Knauf des Wäscheschranks. Als sie die Dusche betrat, traf sie zuerst der feine Sprühregen, ließ sie nach Luft schnappen, dann verteilte die starke Wärme sich über ihre Brust und lief ihren Bauch hinunter. Es stank nach Schwefel. Sie senkte den Kopf, spürte die Kühle an ihren Beinen, drehte das Wasser heißer und stand mit verfilztem Haar da, bis ihr überall richtig warm war. Sie schloss die Augen, gab sich dem Gefühl hin und dachte an einen Horrorfilm, in dem sich weder das siedend heiße Wasser abdrehen noch die Tür der Duschkabine öffnen ließ, sodass ein Mädchen hinter dem Glas ertrank, wie ein Fisch im Aquarium. Es war blöd, aber sie sah nach, ob der Abfluss vor ihren Füßen funktionierte. Sie bückte sich, um nach dem Shampoo in der Ecke zu greifen, stieß mit dem Hintern gegen die Kabinenwand, kippte nach vorn und musste sich mit der Hand an der Wand abstützen.
«Graziös», schnaubte sie, ihre Mutter nachahmend, und drückte sich Shampoo auf die Hand.
Sie rieb es gerade ins Haar, als die Tür aufging und ein kalter Luftzug den Nebel über ihr durcheinander wirbelte. Unwillkürlich wandte sie sich ab, hielt aber inne, weil sie an der Gestalt zu erkennen versuchte, ob es Sarah war, und sie war es auch, blieb vor dem Spiegel stehen, wahrscheinlich um sich das Haar zu bürsten. Ella stand aufrecht da, mit dem Gesicht zur Dusche. Sie wusste aus Erfahrung, dass Sarah, wenn sie den Kopf nach rechts neigte, ihre verschwommene Silhouette, die abstrakten Farbtupfer sehen konnte. Verglichen mit Sarah hatte sie nur wenig zu bieten, verspürte wieder den Drang, sich zur Wand zu drehen und zu verstecken.
Aber dazu bestand kein Grund. Sarah würde nicht herschauen.
Ella seifte ihr Haar ein, beugte sich unter die Brause und schloss wie immer die Augen. Sie spülte das Shampoo aus und kam sich wagemutig und krankhaft misstrauisch vor, während die Luft sie am ganzen
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