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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Schreibunterlage oder seine Kreissäge bewunderte (beides picobello, genau wie er es hinterlassen hatte), als würde sie das Haus einer berühmten Persönlichkeit besichtigen. Im Leben hatte er sich stets für dieselben Dinge begeistert, und die waren bescheiden gewesen. Seine Vorstellung von einem Freudenfest bestand darin, mit der ganzen Familie zu Poli's oder Tambellini's zu gehen, es schon beim Frühstück anzukündigen, damit sie kein Abendessen vorbereitete, bevor er nach Hause kam. Das einzige Mal hatte Henry sie durch seinen Tod überrascht, doch da war sie nicht plötzlich ein stärkerer Mensch geworden, sie war bloß allein.
      Von der Straße drang das anhaltende Quietschen von Bremsen herüber, eine Pause, dann ein kurzer Tritt aufs Gas, ein Ruck nach vorn und wieder die Bremsen. Rufus rührte sich nicht.
      «Die Post ist da», sagte Arlene, ohne von ihrem Buch aufzublicken.
      «Er ist früh dran. Erinnere mich daran, dass ich sie morgen abbestelle.»
      Sie stieg über Rufus hinweg, um an die Tür zu gelangen. Der Kombi war drüben bei den Loudermilks, und der Mann beugte sich aus seinem Fenster. Sie ging langsam zum Briefkasten, als könnte er explodieren. Sie erwartete keine Post, es sei denn, Louise hätte ihr geantwortet. Über Nacht hatte eine Spinne ihr Netz um die Flagge gewoben und sie an die Seite des Briefkastens gefesselt. Sie schaute in beiden Richtungen die Straße entlang und sprang zurück, als sie die Klappe öffnete.
      Nichts, nur die Post - Hochglanzgutscheine, rivalisierende Flugblätter für das Golden Dawn und den Quality Market und die Herbstausgabe vom Navigator, des Mitteilungsblatts der High School, das sie bekamen, weil sie jedes Jahr Steuern bezahlten. Sie bückte sich, sah noch einmal nach, ob keine Ameisen da waren, und schlug dann die Briefkastenklappe zu. Sollten sich doch die neuen Besitzer darüber Gedanken machen. Sie mussten noch eine Prüfung auf Termiten ansetzen. Vielleicht entdeckten sie dabei etwas.
      Als sie zum Haus zurückging, erinnerte sie sich, wie sie sich um das Haus ihrer Eltern in Kersey gekümmert hatte, bevor es schließlich verkauft wurde. Der Makler hatte vorgeschlagen, den Teppichboden herauszureißen, um die Eichenfußböden hervorzuheben, und als Emily vorbeigekommen war (sie und Henry waren zuerst auf dem Friedhof gewesen), hatte sie ihn zerrissen und ausrangiert bei den alten Küchenschränken hinten im Garten entdeckt, als wäre das Haus geplündert worden. Sie sah vor sich, was sie mit dem Sommerhaus anstellen würden - es ausräumen, es vielleicht sogar abreißen und ein neues bauen. Das Grundstück mit seiner Lage war wichtiger. Die Käufer kamen aus der Baubranche in Cleveland. Wahrscheinlich besaßen sie einen riesigen Kabinenkreuzer und würden einen neuen Steg anlegen.
      «Irgendwas Interessantes?», fragte Arlene.
      «Der Navigator, das ist alles.»
      Emily setzte sich wieder, bereute es dann aber. Mrs. Klinginsmith hatte gesagt, der Reinigungsdienst würde sich um alles kümmern, doch sie musste zumindest den Kühlschrank abtauen, die Schränke schrubben und die Badezimmer sauber machen. So hatte ihr letzter Nachmittag hier eigentlich nicht aussehen sollen.
      Und wegen des Herds hatte sie sich so viele Gedanken gemacht. Sie hätte einfach die Finger davonlassen sollen. Die Käufer würden sich einen neuen besorgen. In einem Monat würde alles, worüber sie sich Sorgen machte, verschwinden, und ihr Kopf wäre frei - wofür? Versuchte sie jetzt deshalb, Zeit zu gewinnen, aus Angst vor diesen einsamen Stunden? Sie fühlte sich übers Ohr gehauen, obwohl sie selbst das Geschäft abgeschlossen hatte.
      Das Mozartstück war vorbei, und etwas Rührseliges, Überladenes lief. Tschaikowsky, dachte sie, mit einem weiteren süßlichen Stück, das ans Gefühl appelliert, wie dieser entsetzliche Film. Es genügte, damit sie sich in ihr Inneres zurückzog.
      «Kommst du zum Mittagessen?», fragte sie Arlene.
      «Gleich.»
      Sie hatte die Melone vergessen, doch die konnte sie beim Frühstück aufessen. Die Kinder würden den Aufschnitt und die Joghurts essen, die Bagels und den Frischkäse. Aus irgendeinem Grund hatte Lisa zwei Gläser Mixed Pickles gekauft; eins davon war noch ungeöffnet. Emily freute sich darauf, die in der Kühlschranktür aufgereihten Würzmittel wegzuwerfen, ein paar davon waren schon wer weiß wie alt - die Salatsoße, deren Bestandteile sich schon abgesetzt hatten, die Chilisoße, die

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