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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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um es ihm zu beweisen.
      Er wollte ein an der Wand hängendes Segelflugzeug aus Balsaholz haben, das 6,99 Dollar kostete. «Siehst du?», sagte er und zeigte ihr die anderen Preisschilder.
      Er hatte nicht ganz Unrecht. Alles, was an der Wand hing, war teurer als fünf Dollar. Die billigen Sachen lagen in den Kisten, die hinter ihnen standen - Aufziehenten und -frösche, Kartenspiele und riesige Radiergummis.
      In einer Kiste lagen Dutzende von Miniflaschen mit glänzenden neuen Pennys darin, ein Souvenir, das sie sich mal als Kind gekauft und wo sie den winzigen Korken rausgepfriemelt hatte. Die Münze war angeblich ein Glückspenny. Die Fläschchen kosteten einen Dollar neunundneunzig.
      «Wieso nimmst du nicht so eine?»
      Sam gab keine Antwort, und an Justins ausdruckslosem Blick erkannte sie, dass es eine dumme Frage war.
      «Hör mal», sagte sie, «ich will mich nicht mit dir streiten. Willst du die fünf Dollar haben oder nicht?»
      «Ja», sagte Sam, als wollte sie ihn quälen.
      «Gut. Dann such dir was aus.»
      Sie wollte bloß raus, die Hässlichkeit des Ladens war bedrückend. Sie hatten sich lange genug dort aufgehalten.
      Sam und Justin berieten sich vor den Kisten, dann kam Sam nochmal.
      «KönnenJustin und ich es zusammen kaufen?»
      «Und wer behält es dann - du? Das ist ungerecht. Wir fahren morgen. Er hat kaum Gelegenheit, damit zu spielen.»
      «Das ist schon okay», sagte Justin.
      Er war so leicht zu beeinflussen.
      «Wir spielen heute Abend damit», sagte Sam.
      «Draußen ist es dunkel», widersprach sie und hörte sich dann selbst. Sie wusste, dass sie besser nicht nachgab, wollte sich aber nicht streiten, nicht hier, nicht jetzt. Sollte Emily doch sagen, was sie wollte.
      «Gut.» Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich noch heute Abend kaputtgehen würde.
      Lise wusste, dass sie nächstes Jahr wieder hier sein würden, oder irgendwo mit seiner Familie. Sie rechnete nicht damit, für ihre Geduld belohnt zu werden, nicht von Ken. Er kam mit ihren Eltern zurecht. Er hatte keine Ahnung, wie sehr sie sich vor dieser Woche fürchtete, die Tage abgesessen wie eine Haftstrafe - fast vorbei. Darauf musste sie sich konzentrieren.
      An der Kasse stellte Justin eine Flasche mit einem Penny drin neben das Segelflugzeug. Sie hatte seinen Blick falsch gedeutet, oder vielleicht hatte er darauf gewartet, dass Sam sagte, die Flasche sei uncool, denn als Lise bezahlte, steckte er sie sofort in die Tasche. Sam schnappte sich das Segelflugzeug, als würde es ihm gehören, und jetzt, wo es zu spät war, hätte sie es ihm am liebsten wieder weggenommen.
      Ken und Emily warteten noch immer darauf, dass ihre Nummer aufgerufen wurde. Nein, sie wolle kein Karamell, danke. Sie gab Ella ihren Fünfer und ging mit den Jungs nach draußen.
      Als sie sich durch die Tür schob, umhüllte sie die dunstige Luft, warm und frisch nach dem Schokoladenduft in dem klimatisierten Raum, und es roch nach dem See und dem Asphalt des Parkplatzes. Es war noch nicht richtig dunkel draußen, der Himmel ein seltsames Blaugrün zwischen den Bäumen. Das Schild mit der Aufschrift WEBB'S LAKESIDE RESORT war beleuchtet, der weiße Anker umringt von Geranien. Meg und Arlene standen neben dem Bus und blickten übers Wasser.
      «Nicht so schnell», ermahnte sie die Jungs, die schon wegrannten, und ging langsamer. Es war erholsam, einen Augenblick allein zu sein.
      Auf der Straße brauste heulend ein Sattelschlepper vorbei, der Luftzug wirbelte die Blätter auf und ließ Kiesel am Randstreifen entlanghüpfen, und in der darauf folgenden Stille sah sie, was Meg und Arlene betrachteten - die Chautauqua Belle, ihre Silhouette umrahmt von weißen Weihnachtslichtern, ihr Spiegelbild im dunklen Wasser schimmernd. Auf dem Oberdeck spielte eine Band. Aus der Ferne hörte Lise den gedämpften Klang der Bläser und einer kleinen Trommel. Es war eine Abendgesellschaft oder ein Hochzeitsempfang, und sie wünschte, sie könnte dabei sein.
      Es erinnerte sie an ihre Hochzeit, an das Ende jenes endlosen Tages, wo sie den heißen, lauten Tanzsaal des Strandclubs trunkenem Applaus überlassen hatten und in die kühle Feuchtigkeit des Kaps hinausgetreten waren, das Tosen des Meeres irgendwo hinter den Dünen. Auf dem Parkplatz war es so still gewesen wie hier, ein Ruheversprechen. Ihre Freunde hatten das Auto mit Krepppapier, Rasiercreme und Ballons

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