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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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überraschen lassen, war vor dem nächsten Blitz auf der Hut, ließ die restlichen Feuerwerksbilder zerfallen und verblassen. Ihr Nacken tat weh, sie bewegte den Kopf und machte es sich wieder bequem. Sarahs Hand lag nur ein paar Zentimeter von ihrer entfernt auf der Decke.
      Sie hatte diese widerstreitenden Gefühle so oft gehabt, dass sie es satt hatte, drehte mehr aus Wut als aus wirklicher Hoffnung das Handgelenk und schob ihren kleinen Finger auf Sarah zu, aber noch immer fehlte ein Stück. Sie ließ die Hand liegen und wartete noch einen Moment, wohl wissend, wie nahe sie daran war, sie zu berühren, angespannt, wenn wieder eine Rakete explodierte.
      Es musste wie ein Zufall aussehen, und es musste jetzt passieren.
      Sie wusste nicht mal, warum sie das tat. Sie sollte froh sein, dass sie ihr so nah war.
      «Schön», sagte Sarah zu den herabregnenden glitzernden Silbersternen.
      Der Himmel war wieder zu sehen, vereinzelt ertönte Beifall, und als wäre das ihr Einsatzzeichen, zog Ella die Finger ein, schob den Handballen über die raue Decke, sodass er neben dem von Sarah lag, die Berührung kaum spürbar und beiläufig. Sie konnte sagen, dass es ein Versehen war.
      Sarah hob die Hand hoch und legte sie woandershin, sodass sie sich nicht berührten. Ella zog ihre Hand zurück. Als sie überlegte, ob sie sich entschuldigen sollte, war es schon zu spät.
      Es bedeutete nichts. Sarah hatte es kaum bemerkt. Alles war in Ordnung.
      Es krachte und knallte, und Ellas Blick musste all den verschiedenen Raketen folgen.
      «Das ist nicht das Finale», behauptete ihr Vater. «Noch nicht.»
      «Das will ich hoffen», sagte Grandma.
      Die Farben explodierten direkt voreinander und enthüllten die sich langsam verziehenden Rauchwolken, die gespenstisch übers Wasser glitten. Die Wellen und die Bäume färbten sich rot und blau und grün. Sarahs Gesicht war unverändert, dem Leuchten entgegengereckt. Noch mehr Raketen wurden abgeschossen, ihre Spuren wie Kometenschweife.
      «Wow», sagte Sarah.
      «Guck dir die mal an», rief Sam.
      Pfeifende Kreisel und Goldregen, ein paar niedrige Römische Lichter, dann endete alles mit einem wahren Sperrfeuer. Die Explosionen folgten direkt aufeinander, eine Masse aus blitzendem Weiß, und dann immer wieder ohrenbetäubender Lärm. Ella saß in sich gekehrt da, folgte mit dem Blick einem hoch oben blinkenden Flugzeug, stellte sich vor, wie das Ganze von dort aussehen würde, und wünschte sich ganz weit weg.
     
     
* 21
     
    Meg wusste nicht, warum sie weinte. Nicht wegen der Gläser. Weil sie erschöpft war. Weil sie bekifft war und die Woche vorbei war und sie gefühlsduselig war. Sie erholte sich schnell, wehrte Kens Umarmung ab und lachte über sich, während sie sich noch die Tränen abwischte. Die anderen sahen sie an, als hätte sie den Verstand verloren, und sie begriff, dass sie es nicht gewohnt waren, sie weinen zu sehen. Auch für sie war das neu.
      «Es ist bloß traurig», erklärte sie und betrachtete nochmal, wie ihre Mutter die Gläser in dem mit Megs Namen beschrifteten Karton verstaut hatte - ausgerechnet einem Bierkarton. Sie bedankte sich fürs Einpacken.
      «Ich dachte, dass du morgen früh keine Zeit hast. Ich hab dich auch für die Zedern truhe notiert. Ich hab sie ausgeräumt, aber du brauchst jemanden, der dir hilft, sie in den Bus zu laden.»
      Ken und Lise boten sich gemeinsam an. Arlene sagte, sie würden sich alle gegenseitig helfen, und Meg bedankte sich, denn sie wusste, dass sie die Einzige war, die Hilfe brauchte, der einzige Single.
      «Ist das alles, was du haben willst?», fragte ihre Mutter. «Das ist nicht besonders viel. Ich versuche immer noch, den Mixer loszuwerden, der dir so gefällt.»
      «Funktioniert er?»
      «Er funktioniert einwandfrei», erwiderte sie überrascht.
      Sie hatte einen zu Hause, den sie nur selten benutzte, noch dazu einen Cuisinart, aber ihr gefielen der dicke Glaskrug und die altmodischen Chromknöpfe.
      «Wenn ihn sonst niemand haben will.»
      «Er gehört dir», sagte Ken.
      Während sie seine Liste durchgingen, schlug Meg den schweren Krug in Zeitungspapier ein und dachte, dass es typisch für ihre Mutter war, ihren einzigen schwachen Moment auszunutzen, aber dann merkte sie, dass sie kleinlich war, und ließ es dabei bewenden. Ihre Mutter wusste, dass ihr der Mixer gefiel, und Ken hatte viel mehr Plunder am Hals als sie. Ihr fiel auf, dass es - wie

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