Abschied von Chautauqua
sollen, das wäre besser gewesen.»
«Da ist eins für dich.» Es war zitronengelb, mit rosa Dachtraufe und jeder Menge Schnörkeln, an einer Kutschenlampe rankten sich Klettertrompeten hinauf. «Ich glaube, für eine Woche könnte mir das gefallen.»
«Du gibst keine Ruhe, was?»
«Wie viel würde es wohl kosten, so eins zu mieten?»
«Zweitausend. Zweitausendfünfhundert.»
«Durch vier geteilt, ist das gar nicht besonders viel.»
«Ich glaube nicht, dass Kenneth oder Margaret so viel Geld haben.»
«Vielleicht könnten wir es bezahlen», schlug Arlene vor, und als Emily nicht antwortete, fügte sie hinzu: «Wenn wir nicht herkämen, wäre es einfach kein richtiger Sommer.»
«Ich verstehe, was du meinst», sagte Emily. «Schlimmstenfalls nehmen wir ein Zimmer im Saint Elmo, bei all den anderen alten Jungfern und Witwen.»
Das sagte sie so trocken, dass es ein Scherz, aber auch ein Versprechen sein konnte.
«Ich glaube, mir ist das Athenaeum lieber.»
«Das könnten wir uns nicht leisten. Dort werden jetzt hohe Tiere von der Kirche und spezielle Gäste untergebracht. Meine Mutter hat dort gewohnt, als Gershwin da war. Sie sagte, er wäre, nachdem er den ganzen Tag in einer dieser furchtbaren Hütten komponiert hätte, in die Hotelhalle gekommen, hätte sich ans Klavier gesetzt und sich richtig ins Zeug gelegt. Er hätte Wünsche entgegengenommen und alles gekannt - nicht dass das überraschend wäre. Überraschend ist, dass sie sagte, er hätte eine wunderbare Stimme gehabt. Ich habe ihn immer für ziemlich still gehalten und Ira für den Geselligeren, aber anscheinend war er sehr kontaktfreudig.»
Wie die meisten von Emilys Anekdoten schien auch diese nur dazu zu dienen, Arlene zu beeindrucken, doch sie hatte das Ganze schon mindestens zehnmal gehört, gewöhnlich auf der Veranda des Athenaeum, in Gesellschaft anderer Leute. Sie beschloss, ihr eigenes Thema vorläufig nicht weiter zu verfolgen, sondern ließ es unberührt zwischen ihnen flattern.
Als sie weiter auf das Gelände vordrangen, machte der Ziegelweg holprigem Asphalt Platz, der seltsam fehl am Platz wirkte, als wäre er nur provisorisch, ein Überbleibsel von Straßenbauarbeiten. Hier hinten waren die Sommerhäuser nicht so prachtvoll, sondern mehr auf Nützlichkeit ausgerichtet, im Schatten sich schälender Eichen versteckt. Statt gepolsterten Korbsesseln standen hässliche Plastikmöbel auf den Veranden, und Arlene dachte, dass sie sich das bestimmt leisten konnten.
Auf dem Platz veranstaltete die Kunsthandwerkervereinigung ihr allwöchentliches Fest mit Ständen auf allen vier Seiten. Nachdem sie morgens auf dem Flohmarkt gewesen waren, hatte Arlene keine Lust, etwas zu kaufen, doch Emily schien Interesse zu haben, deshalb folgte Arlene ihr gehorsam und sagte ihre Meinung zu Halstüchern und Ohrringen, Briefbeschwerern aus Mineralgestein und Sandbildern, zu Windspielen aus Nylonangelschnüren und angelaufenem aussortiertem Silber. Auf dem Gras warfen zwei kleine Jungs, deren Eltern nirgends zu sehen waren, linkisch mit einer Frisbeescheibe. Während Arlene mit Emily von einem Stand zum anderen ging, behielt sie die Jungs im Auge, bis schließlich der Vater der beiden mit Eistüten auftauchte.
«Sollen wir den Kindern etwas mitbringen?», fragte Emily.
«Meinst du, dass sie wirklich was brauchen?»
«Die könnten den Mädchen gefallen», sagte Emily angesichts der gehämmerten Silberringe, die ein zottelhaariger Mann in Jeansjacke in schwarzen Samtkästchen ausgelegt hatte. Im Gegensatz zu den meisten angebotenen Schmuckstücken waren diese Ringe eindeutig handgearbeitet; der Mann hatte einen roten Bart, seine Hände waren knorrig wie Wurzeln. Emily entdeckte zwei schlichte Ringe, die fast gleich aussahen. «Die kosten bloß neun Dollar», sagte sie («Zwei für fünfzehn», verbesserte sie der Mann) und sah Arlene an, als würde sie um Erlaubnis bitten, und Arlene sagte ja, das sei nett für die beiden, aber dann müssten sie den Jungs auch was mitbringen, und das sei unmöglich.
Das stimmte. Hier gab es nichts, was einen zehnjährigen Jungen interessierte. Es gibt überhaupt nicht viel, was einen zehnjährigen Jungen interessiert, dachte Arlene und kramte in ihrem Gedächtnis. Sportsachen und Videospiele, vielleicht noch Frösche und Schlangen, aber die nur ganz kurz. Es gab Jahre, in denen sie ihnen Hunderte von Comic-Heften wegnahm, Dutzende Jo-Jos, eine
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