Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
mach los, du Trantüte.»
      Im Garten warteten alle auf ihn und schlugen, das Handtuch über die Schulter geworfen, die Krocketkugeln durch die Gegend.
      «Wird auch langsam Zeit», sagte Sarah und hob ihre Sonnenbrille an.
      Sie hatte einen neuen Badeanzug, der ihre Brüste betonte. Er hatte schon Ärger bekommen, weil er sich am Schwimmbecken drüber lustig gemacht hatte, und seine Mutter hatte sich todernst mit ihm hingesetzt und ihm erklärt, dass jeder bezüglich seines Aussehens empfindlich wäre. Ich nicht, hätte er am liebsten erwidert, aber dann hatte sie gesagt: «Du weißt doch, wie es ist, wenn du in der Turnhalle als Letzter drankommst», und obwohl das nicht stimmte (manchmal war Michael Schulz der Letzte), hatte er begriffen, was sie meinte. Aber niemand nannte Sarah schwul, weil sie Brüste hatte, oder lachte über sie, wenn sie mit einem Basketball zu dribbeln versuchte. Es war anders. Wenn seine Freunde irgendwas über sie sagten («Das ist deine Schwester?», hatte Michael Schulz gefragt), sagte er, sie sollten die Klappe halten.
      «Auf geht's!» Seine Mutter trieb sie mit beiden Armen vor sich her.
      Rufus lief auf den Steg und drehte sich zu Sam um, der seinen Tennisball hatte. Justin drängte sich zwischen den Mädchen hindurch, um sich ihm anzuschließen. Im seichten Wasser trieben Wasserpflanzen und Seerosenblätter. Einmal hatte er bei den Steinen einen toten Fisch gesehen, aber heute war ein schmutziger Milchtopf das einzig Ekelhafte. Als sie hinausgingen, federte der Steg, zwei Enten flogen davon, ein paar Stege weiter in Richtung Landspitze, und landeten wieder. Rufus bemerkte sie nicht mal.
      «Darf er reingehen?», fragte Sam, als sie ans Ende des Stegs gelangten.
      «Ja, aber nicht lange», erwiderte seine Mutter. «Du darfst nicht vergessen, er ist schon alt.»
      Sam warf den Ball, und Rufus stürzte sich vom Steg. Er machte einen Bauchklatscher, platschte richtig ins Wasser, worauf alle lachen mussten. Er paddelte hinaus, und sein Kopf drehte sich wie ein Periskop, bis er den Ball entdeckt hatte.
      Sarah breitete ihr Handtuch aus, stieg voller Angst, nass zu werden, langsam die Leiter runter und prüfte mit dem Zeh die Wassertemperatur.
      «Spring rein», sagte ihre Mutter. «Das ist leichter.»
      Sarah stieg vorsichtig tiefer und zog vor Kälte die Schultern hoch. Das Wasser reichte ihr nur bis zur Taille. Sie hielt die Hände flach über dem Wasser, als wäre es Treibsand.
      «Wie ist es?», fragte Ella.
      «Eiskalt!»
      Rufus paddelte um Sarah herum, als wollte sie ihm den Ball stehlen. Er hatte keine Möglichkeit, auf den Steg zurückzugelangen. Die Lefzen um den Tennisball geschlossen, musste er schnaufend am Motorboot vorbeischwimmen und dann über die glitschigen Steine klettern. Justin und Sam begleiteten ihn oben auf dem Steg und rannten davon, als er den Ball fallen ließ und sich schüttelte. Er atmete schwer, die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul.
      Justin holte den Ball - ganz schleimig -, aber als sie zur Bank kamen, blickte seine Mutter von ihrem Buch auf. «Ich glaube, das reicht erst mal.»
      «Sam durfte auch werfen.»
      «Das liegt daran, dass ich Sam mehr liebe als dich», sagte sie. «Geh eine Weile schwimmen. Wenn du aus dem Wasser kommst, ist er vielleicht wieder ausgeruht.»
      «Ich hab keine Lust zu schwimmen.»
      «Nicht die Leier schon wieder», schnaubte sie. «Gibt es im Wasser irgendwas, wovor du Angst hast?»
      «Nein», log er. «Ich kann bloß den Schlamm nicht ausstehen.»
      «Was ist mit dem Schlamm?», rief sie zu Sarah und Ella hinüber, die einen Handstand übten und sich gegenseitig an den Beinen hielten.
      «Der ist schlammig!», rief Sarah zurück.
      «Ich geh rein», verkündete Sam und kletterte die Leiter runter. Rufus stand oben und sah ihm zu.
      «Willst du nicht mit deinem Cousin und deiner Cousine schwimmen gehen?», fragte Justins Mutter.
      «Du hast gesagt, ich muss nicht», antwortete er.
      «Herrgott nochmal, dann lass es bleiben, ist mir doch egal.» Seine Mutter hielt ihr Buch hoch wie einen Schild, und Justin legte sich auf sein Handtuch und kehrte ihr den Rücken zu.
      Rufus kam rüber; sein Atem roch nach totem Fisch.
      «Geh weg», sagte Justin.
      Letztes Jahr hätte er in so einem Fall geweint, doch er hatte gelernt, sich zu beherrschen. Das machte sie bloß noch wütender.
      Er lag flach da, damit er den Wind nicht so spürte. Das

Weitere Kostenlose Bücher