Abschied von Chautauqua
wäre nett, doch all die Flaschen in dem billigen Weinregal waren inzwischen vermutlich Essig.
Das erinnerte sie daran, wie viel sie wegwerfen musste. Die Lebensmittel. Das Geschirr. Es war einfacher, wenn sie es unter Kategorien einordnete. Wenn sie alles einzeln betrachtete, wie den isolierten Plastikbecher von Snyder's-Kartoffelchips, den sie schon seit den sechziger Jahren hatten, würde sie innehalten und sich daran erinnern, wie eins der Kinder bei einer Gartenparty Orangenlimonade daraus getrunken oder wie Henry sich ein Bier eingegossen hatte, das überschäumte. Der Schrank war voller Gläser, Einzelstücke aus dem Haus in Pittsburgh oder Kuriositäten, die sie auf dem Flohmarkt entdeckt hatten. Marmeladengläser, auf denen die Familie Feuerstein zu bunten Formen verblasste. Biergläser aus dem Pitt Stadium und aus Three Rivers. Vielleicht würden die Kinder daran Gefallen finden und sie nehmen, so wie sie selbst ihren alten Salz- und Pfefferstreuern nicht hatte widerstehen können.
Das Silberbesteck. Das schwere Buttermesser, auf dessen Griff U. S. Navy stand. Es war um die ganze Welt gereist, bloß um hier ein Zuhause zu finden. Der rosa Plastiklöffel, der sich in heißem Haferschleim lila färbte. Diese Sachen hatten ihnen einmal Vergnügen bereitet - das ist auch jetzt noch so, dachte sie. Emily empfand es als Verschwendung, all das wegzuwerfen. Das war dumm, das wusste sie. Sie war zu rührselig geworden, eine alte Frau und ihr Tafelsilber.
Der Käse zerkrümelte auf ihrer Zunge, körnig und scharf. Sie wollte einen Drink haben, der ihr Gesellschaft leistete, während sie die Horsd'ceuvres zubereitete. Da war Henrys Bier, doch bei dem Gedanken, wie es in ihrem Bauch sprudeln würde, öffnete sie den Schrank über der Mikrowelle. Ganz hinten, hinter einer Schachtel Nudelsuppe mit Huhn, verbarg sich die Flasche Cutty Sark, die Henry für spätabends oder fürs Lagerfeuer aufgehoben hatte.
Sie nahm eins seiner Gläser, auf dem ein Model A abgebildet war. Die hatten sie an einer Tankstelle geschenkt bekommen. Als hätte Henry sie durch seine Unvernunft wütend machen wollen, war er einen meilenweiten Umweg gefahren, um den ganzen Satz zu ergattern. Esso, Atlantic oder Boron, sie wusste nicht mehr, wo. Aber sie konnte sich noch erinnern, wie ihm eins auf den Kaminsims gefallen war, wie der Scotch auf seine Hausschuhe gespritzt war und Flecken auf dem Wildleder hinterlassen hatte.
«Wie gewonnen, so zerronnen», hatte er gesagt, doch sie hatte gesehen, dass er geknickt war.
Sie füllte das Glas bis zu den Trittbrettern des Autos und ließ sich den Duft in die Nase steigen. Sie ging zu dem Fenster über dem Spülbecken, hielt das Glas ins Licht, das jetzt schräg hereinfiel und voller Staubkörner war, Schatten unter die Kastanie warf und in ihrer Hand ein bernsteinfarbenes Leuchten entfachte. Das Glas hätte aus Kristall sein können. Scotch wurde nicht schlecht. In dieser Hinsicht war er magisch. Schon der erste Schluck überzeugte sie, dass sie die Flasche mit nach Hause nehmen sollte.
Sie kehrte zum Hackbrett zurück, stellte das Glas auf die Arbeitsplatte und hielt sich fest, während ihr, wie eine sich brechende Woge, ein Schauer über den Rücken lief. Sie beschloss, öfter Scotch zu trinken. Und vorsichtig mit dem Messer zu sein, das sie in der Hand hielt.
Der Dip stand im Kühlschrank, wo er in einem alten Eisbecher fest werden sollte. Sie schnitt die grünen und roten Paprikaschoten, den Brokkoli, die Möhren und den Sellerie, bis ihre Finger wund waren.
Eins der Mädchen müsste das machen, dachte sie. Zu ihrer Zeit...
Tja. Die Küche ihrer Mutter gab es nicht mehr, die stundenlange Unterweisung und Plackerei, als ihre Mutter ihr den Wert von Arbeit vermittelt hatte. Sie hatte es gelernt. Sie wünschte, sie könnte dasselbe von ihren Kindern sagen.
Sie nahm einen ziemlich großen Schluck und musste den Alkoholdunst ausatmen. Plötzlich war das Glas in ihrer Hand leer.
«Na so was», sagte sie, eine Redensart ihres Vaters.
Sie goss das Glas bis zum Türgriff voll. Ihr Onkel Magnus hatte einen Model A gehabt. Irgendwann musste sie mal mitgefahren sein, doch sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie auf dem Rücksitz saß und ihren Hut auf dem Kopf festhielt, während ihr Haar im Wind wehte. Der Wagen auf dem Glas stammte von 1921, das lag schon fast achtzig Jahre zurück. Onkel Magnus war gestorben, als sie dreizehn oder vierzehn war.
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