Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
Vom Netzwerk:
emotionale Haltung (z.B. Sympathie, Verachtung) und damit verbundene Verhaltenstendenzen; mit manchen sucht man das Gespräch, anderen geht man aus dem Wege. Mit anderen Worten, man ist «disponiert», bezüglich des anderen Menschen in bestimmter Weise zu denken, zu fühlen und sich zu verhalten. Wenn all dies fehlt, sagt man vielleicht, man habe «keine Beziehung» zu diesem Menschen.
    Beziehungen entwickelt man nicht nur zu einzelnen Personen, sondern auch zu
Gruppen
. Manchen Gruppen fühlt man sich selber zugehörig («Wir-Gruppen»), andere lehnt man vielleicht ab. In einer Gruppe wird das Verhalten stark durch andere beeinflusst. Manche Probleme lassen sich nur verstehen, wenn man diesen interpersonalen Kontext beachtet. Terrorismus ist dafür ein Beispiel. Hier sollte man nicht nur fragen: «Was sind das für Menschen, die so etwas tun?», sondern zunächst einmal: Was sind das für Gruppen? (s. auch Kapitel  10.2 zu Gruppendynamik, Kapitel  10.5 zu politischer Gewalt).

5. Anwendung «mit System»
    Kleine Verletzungen, verstopfte Nase, Kopfschmerzen – bei vielen Gesundheitsproblemen gehen Menschen nicht gleich in die Arztpraxis, sondern allenfalls an ihre Hausapotheke. Es ist selbstverständlich, dass man bei «klein» erscheinenden Beschwerden zunächst einmal abwartet oder sich mit Hausmitteln zu kurieren versucht. Weit größer ist dieser Anteil der Selbsthilfe sicherlich bei psychologischen Problemen im Alltag, z.B. bei zwischenmenschlichen Konflikten, bei Lernschwierigkeiten, bei manchen Ängsten.
    So wie man bei Gesundheitsproblemen durch Sachkenntnis die Selbsthilfe verbessern kann, so kann man dies auch bei psychologischen Problemen. Gestützt auf die Grundaspekte menschlichen Verhaltens, die im vorangehenden Kapitel erläutert wurden, möchte dieses Kapitel dazu anleiten, in konkreten Fällen
einigermaßen systematisch
nach Erklärungen und Wegen zur Veränderung zu suchen. «Systematisch» heißt: Die ersten Gedanken nicht sogleich zur «festen Überzeugung» erheben, sondern schrittweise verschiedene Erklärungsaspekte in Betracht ziehen und abwägen. So verringert man die Gefahr, dass man etwas Wichtiges völlig außer Acht lässt.
    5.1 Hilfreiche Fragen für eine Minimaldiagnose
    Als ich in ein Lehrerkollegium eingeladen wurde, um eine Fortbildung zum Thema Unterrichtsstörungen zu halten, bat ich vorweg um konkrete Fragen und Fallbeispiele, um gezielt darauf eingehen zu können. Ich erhielt eine Liste mit Stichworten wie etwa: «Schüler schreien herum», «schlechtes Arbeitsverhalten», «mangelnde Rücksichtnahme» – offenbar in der Annahme, damit seien die Probleme hinreichend beschrieben.
    In anderen Fällen fragen Menschen: «Ich habe zu wenig Selbstvertrauen. Was kann man dagegen tun?» «Unser Max ist ein sehr unruhiges Kind. Wie soll ich mit ihm umgehen?» «Mein Mann streitet mit mir dauernd über Kleinigkeiten. Was raten Sie mir?» – und erwarten eine Antwort, die haargenau auf ihren speziellen Fall passt. Leider suggerieren Beratungsecken in manchen Illustrierten, dass es möglich sei, zu einer Problemschilderung von wenigen Zeilen konkrete Empfehlungen zu geben, und das auch noch aus der Ferne.
    Wer zum Arzt geht, wird sicher nicht nur sagen: «Ich habe öfter Bauchweh. Können Sie mir da was verschreiben?», sondern er wird z.B. hinzufügen: «Ich habe seit zwei Wochen zwischen den Mahlzeiten so ein brennendes Gefühl im Magen», und sich gewiss nicht wundern, wenn der Arzt genauer nachfragt und untersucht. Es ist typisch, dass Fachleute ein Problem erst einmal zu verstehen versuchen, bevor sie Lösungen erwägen. Bei psychologischen Problemen aber erwarten viele Menschen, dass sie mit einer kurzen, allgemein gefassten
Benennung
des Problems («unkonzentriert», «aggressiv» etc.) Erklärungen und Hilfestellungen für den konkreten Einzelfall bekommen können. Doch Standardantworten, die immer passen, sind selten möglich. In der Regel muss man den Einzelfall zunächst unter die Lupe nehmen. Und genau dies ist hier mit «Diagnose» gemeint: planmäßiges Vorgehen, um ein konkretes Problem besser zu
verstehen
. Nicht gemeint ist, das Ergebnis nach Art medizinischer Krankheitsbezeichnungen unter einem Fachbegriff zusammenzufassen.
    Worauf man achten sollte
    Was für Fragen können Sie selber stellen, um ein Verhalten besser zu verstehen? Und welche Informationen sollte man anderen Personen mitteilen, die bei einem Problem mitdenken oder beraten sollen?
    Die in Kapitel  4

Weitere Kostenlose Bücher