Abschied von der Küchenpsychologie
aggressiv sein, ebenso aber auch meidend oder konstruktiv.
Zu
aggressivem
Verhalten gehören unter anderem Vorwürfe, Herabsetzungen, Drohungen und Gewalt (s. auch Kapitel 12.4 ). Es ist deutlich
gegen
die andere Person gerichtet, es enthält eine scharfe negative Beziehungsbotschaft. Aggressives Verhalten wird wohl deshalb so oft mit dem Begriff des Konfliktes assoziiert, weil es sehr auffällig ist. Aber Meidungsverhalten kommt wahrscheinlich viel häufiger vor, und dann gibt es noch den konstruktiven Umgang mit Konflikten.
Zum
meidenden
Verhalten gehört: das Konfliktthema meiden, sich zurückziehen, den Kontakt mit dem Kontrahenten meiden. Häufig meidet man, wenn man einen Konflikt wahrnimmt, den die andere Person nicht wahrnimmt. Beispiel: Eine Nachbarin kommt häufig zum Plaudern, wenn man sich lieber allein beschäftigen möchte – und man traut sich nun nicht, das auszusprechen. Zum Meiden neigen auch Menschen, die sich in einer unterlegenen Position fühlen. Der Angestellte ärgert sich über den Chef, sagt aber nichts. Umgekehrt ist das für den Chef weniger schwierig. Ebenso wird vielleicht in einer Paarbeziehung der schwächere Ehepartner «um des lieben Friedens willen» den Mund halten. Zum Problem wird Meidungsverhalten, wenn dadurch ein untergründiger Konflikt ungelöst bleibt, der die Beziehung beschädigt.
Konfliktverhalten ist
konstruktiv
, wenn es auf eine Lösung in der Sache
und
auf die Schonung der Beziehung gerichtet ist. Eine faire Lösung hat somit Vorrang vor einem Sieg auf Kosten des anderen. Natürlich lässt sich in vielen Fällen schon nach kurzem Austausch eine Verständigung erreichen. In anderen Fällen aber braucht es ein gründliches Gespräch, und zwar zu einem
guten Zeitpunkt
und nicht zwischen Tür und Angel oder im Zustand akuten Ärgers.
Hinsichtlich der
Gesprächsführung
lassen sich zwei Hauptaspekte unterscheiden, nämlich ( 1 ) Klärungen und ( 2 ) Lösungssuche. In der Klärungsphase konzentriert man sich auf die Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse jeder Seite. Gerade wenn Enttäuschungen und Ärger im Spiel sind, braucht man dafür Zeit. Häufig tritt ein Konflikt zwar an einem konkreten Anlass zutage, aber tatsächlich ist er Teil einer tieferen Beziehungsstörung (wie in dem Ehestreit, S. 47 ). Dann ist es besonders wichtig, diese Hintergründe zu verstehen.
Aber es kommt nicht nur darauf an,
worüber
man spricht; wichtig ist ebenso,
in welcher Weise
man miteinander spricht. In der Sackgasse enden meist Gespräche, die um Schuldzuschreibungen kreisen und in denen man
gegen
einander argumentiert. Schon die
einleitenden Worte
können das Gesprächsklima erheblich bestimmen. «Ich hab’ ein Problem, das ich in Ruhe mit dir besprechen möchte» klingt ganz anders als: «Ich muss mit dir reden. In der letzten Zeit hast du mal wieder …».
Hilfreich ist zweifellos
aktives Zuhören
(s. Tafel S. 228 ); es tut der Stimmung gut, wenn man sich vom anderen verstanden fühlt. Aber gerade in Konfliktsituationen ist das Zuhören gewiss nicht leicht, häufig ist jede Seite zu sehr mit der Selbstverteidigung beschäftigt. Die eigenen Empfindungen teilt man am besten durch direkte
Ich-Botschaften
mit statt indirekt durch Du-Botschaften. Ob man beispielsweise über den anderen sagt: «Da bist du recht egoistisch» oder von sich selbst sagt: «Ich finde, dass ich mit meinen Wünschen zu kurz komme» – das ist ein Riesenunterschied. Studien zeigen: Wenn Paare in einem Konfliktgespräch häufig das Wort «du» benutzen («Du bist …», «Aber du hast doch …», «Warum willst du immer …?») kommen sie seltener zu einer Lösung, als wenn sie in Ich- und Wir-Sätzen Stellung nehmen. Einige Beispiele, die so ähnlich auch zu dem Ehestreit von Kapitel 4 passen könnten:
«Ich traue mich kaum, was zu sagen, weil ich deine Reaktion fürchte» (statt: «Immer braust du gleich auf» oder «Du bist eine richtige Mimose»).
«Für mich ist das wichtig; ich habe dafür eben eine richtige Leidenschaft» (statt: «Du nimmst meine Interessen nicht ernst»).
«Jetzt sind wir schon ein Weile dabei, gegeneinander aufzurechnen, wer in der Vergangenheit welche Fehler gemacht hat. Ich schlage vor, dass wir lieber deine und meine Wünsche zusammentragen.»
«Wir sollten überlegen, wie wir solche Missverständnisse künftig vermeiden können.»
Wer die Erfahrung macht, dass Problemgespräche entgleisen, möge es einmal so probieren: A erzählt ausschließlich von eigenen
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