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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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…«
    »Nicht gut genug«, sagte Granny Darcy.
    »Das war nicht Lukes Fehler«, sagte Decker. »Das war diese Teufelin.«
    Granny Darcy erstarrte plötzlich. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Sie verkünden zwar das Wort des Evangeliums, aber Ihnen ist nicht zu trauen.« Sie wandte sich ihnen zu, dann hob sie ihren Schleier. »Verschwinden Sie von meinem Grundstück.«
    Hollander verlagerte sein Gewicht. Decker sagte: »Wir müssen miteinander reden, Granny …«
    »Ich hab’ gesagt, Sie sollen von meinem Grundstück verschwinden!«
    Mit erstaunlicher Beweglichkeit sprang sie von Kiste zu Kiste, schlug gegen die Bienenstöcke und scheuchte Schwärme von aufgeregten Bienen hoch. Als die dunklen trichterförmigen Formationen sich vereinigten und zu einer summenden schwarzen Wolke verschmolzen, fing sie an zu lachen.
    Hollander und Decker liefen los, doch die Wolke war schneller. Schon bald waren sie von harten flatternden Insektenleibern eingeschlossen, die ihnen wie Hagelkörner gegen Haut und Gesicht schlugen. Hollander fluchte und versuchte, sie wegzuschlagen, aber das reizte die Bienen nur noch mehr. Decker spürte einen Stich, dann noch einen und noch einen. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und versuchte, einen Ausweg zu finden.
    Denk wie Byron Howard.
    Rauch!
    Decker nahm seine Zigaretten heraus und begann, sie anzuzünden. Er brüllte Hollander zu, er solle seine Pfeife anzünden, und erklärte ihm, daß Rauch Bienen verwirren würde. Hollander griff in seine Jackentasche und hielt ein Streichholz an den Kopf seiner Bruyèrepfeife. Sofort waren die Gesichter von einer dicken Tabakwolke umgeben. Nach etwa einer Minute waren sie zwar immer noch von Bienen umgeben, die ihnen die Sicht nahmen, aber zumindest wurden sie nicht mehr ganz so heftig angegriffen.
    »Was jetzt?« fragte Hollander und blies Rauch durch die Gegend. Er mußte schreien, um sich bei dem Grabesgesang der Bienen verständlich zu machen.
    Decker zog hustend an fünf Zigaretten auf einmal. Er blies den Rauch aus, ohne zu inhalieren. Dann brüllte er zurück: »Wir könnten versuchen wegzugehen … ganz langsam!« Er hörte noch mehr Gelächter im Hintergrund – Grannys Gelächter, dachte er. Aber nun war noch eine weitere laute Stimme zu hören. Worte konnte er nicht verstehen. Doch dann rief ihnen die eindeutig männliche Stimme zu, sie sollten sich nicht vom Fleck rühren!
    »Verdammt noch mal, ich kann nichts sehen!« schrie Hollander.
    Decker griff nach seiner kurzläufigen Pistole und forderte Hollander auf, ebenfalls seine Waffe zu ziehen. Eine Biene flog ihm in den Mund. Decker spuckte sie aus.
    »Ich kann nicht zielen, wenn ich nichts sehen kann!« schrie Hollander.
    »Beruhige dich!« brüllte Decker. Aber er selbst war alles andere als ruhig.
    Rasch stopfte Hollander seine Pfeife neu und blies wieder dampfenden aromatisierten Rauch durch die Luft. Er hielt die Pfeife umklammert und sagte: »Wenn ich hier heil rauskomme, laß ich mir das Ding einrahmen.«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte die tiefe Stimme diesmal in weniger drohendem Tonfall. »Ich komme Sie holen.«
    Die Luft wurde plötzlich immer dicker, bis sie von undurchdringlichen rußigen Schwaden umschlossen waren. Ihre Augen brannten und tränten heftig. Die Kehlen waren ihnen vom Rauch und von der Hitze völlig ausgetrocknet. Sie husteten und spuckten unter dem Andrang der schwirrenden Insekten. Sie hatten Bienen in den Haaren, unter den Kleidern, an den Händen, in den Hosenbeinen. Jetzt stachen sie nicht mehr, sondern erforschten mit ihren kitzelnden dünnen Beinchen die Haut. Die Sekunden, die sie halb erstickt in diesem Inferno verbrachten, schienen endlos zu sein. Schließlich führten zwei starke Arme sie an die frische Luft und bürsteten den lebendigen Staub von ihnen ab. Decker holte mehrmals Luft und hustete, um seine Lunge und seinen Mund von dem üblen Geschmack der rußigen Überreste zu befreien. Hinter ihm stieß ein Blasebalg brummend dichte Rauchwolken in die Luft. Dazu ertönte, durch den Wind leicht gedämpft, ein gackerndes, völlig wahnsinniges Gelächter.
    Die männliche Stimme sagte: »Sie beide warten hier, während ich mich um die Bienen kümmere. Und stecken Sie die Waffen weg. Die brauchen Sie hier nicht.«
    Decker konnte verschwommen die Umrisse des Sprechers erkennen. Kein besonders großer Mann, aber es lag etwas in seiner Haltung. Unabhängigkeit. Ein gerader Rücken mit ein Paar breiten geraden Schultern. Ein selbstbewußter Gang. Er

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