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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Abertausende gelber Halme beugten sich im Wind und reflektierten das gleißende Sonnenlicht. Eine steinerne Mühle tauchte langsam wie eine Insel in einem goldenen Meer auf. Der Himmel war mit Amseln übersät, die durch die würzige Luft glitten.
    Wie aus einem Gemälde von Wyeth, dachte Marge. »Was wird hier angebaut?« fragte sie.
    »Sieht aus wie Raps«, sagte Decker.
    Byron blickte von seinem Schoß auf. »Das ist Raps.«
    »Raps?« fragte Marge.
    »Eine Art Getreide«, sagte Decker. »Die erste Frau meines Bruders – nein, die zweite – yeah, es war die zweite. Sie stammte aus Kansas, deshalb fand die Hochzeit dort statt. Da wird wahnsinnig viel Getreide angebaut. Weizen, Hafer, Raps, Roggen …«
    »Wie viele Frauen hat denn Ihr Bruder?« fragte Byron.
    »Im Augenblick nur eine«, sagte Decker. »Sie ist übrigens Nummer drei. Apropos Familie, wie viele Leute leben drüben auf der Darcy-Farm?«
    Es dauerte lange, bis Byron antwortete. Als er es schließlich tat, sprach er ganz langsam und schnipste jedes Mal mit den Fingern, wenn er einen Namen nannte. Da waren Pappy und Granny, Luke und Linda, außerdem Sue Beth und B. B., ihr Mann.
    »Sue Beth ist Lukes ältere Schwester«, sagte Byron.
    Dann schwieg er. Decker fragte, ob das die ganze Familie wäre. Byron schüttelte den Kopf.
    »Wen gibt es sonst noch?« fragte Marge und hoffte, daß man ihr den Frust nicht anhörte.
    »Nun, da gab es noch eine jüngere Schwester von Luke namens Carla«, fuhr Byron fort. »Und Earl, der Jüngste. Er ist nicht ganz richtig im Kopf«, erklärte Byron.
    »Inwiefern?« fragte Decker.
    »Halt so«, sagte Byron. »Er ist geistig zurückgeblieben. Aber ein netter Junge. Macht alles, was man ihm sagt, ohne zu murren. Ich wünschte, meine Jungs wären so höflich wie Earl.«
    »Wie alt ist er?« fragte Decker.
    »Ungefähr fünfundzwanzig«, antwortete Byron.
    Als Decker nachhakte, ob noch mehr Leute zum Haushalt gehörten, antwortete Byron, nur die Kinder. Sue Beth hatte zwei, Linda hatte Katie. Decker rechnete im Kopf zusammen. Elf Personen, davon acht Erwachsene unter einem Dach. Und nach dem, was Annette Howard erzählt hatte, bestand ein gespanntes Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter. Ein potentielles Pulverfaß.
    »Wissen Sie, wer von den Darcys zur Imkerversammlung in Fall Springs gefahren ist?« fragte Marge.
    Decker zog die Augenbrauen hoch. Darlene mußte Marge von der Western Beekeeper Association erzählt haben. Offenbar war es Margie gelungen, Darlene Informationen aus der Nase zu ziehen. Sie würden später ihre Notizen vergleichen.
    »Ich weiß, daß Pappy und Granny D runtergefahren sind«, sagte Byron. »Und sie müssen Earl mitgenommen haben, weil sie ihn nie allein lassen. Ich glaube, sie sind alle gefahren bis auf Luke, Linda und Katie – ja und Carla. Sie fährt nie mit, wenn’s um Geschäftliches geht. Das Mädchen hat keinen Familiensinn.«
    Marge räusperte sich. Das war ein Signal für Decker, daß diese Bemerkung wichtig sein könnte. Merk sie dir, weil wir sie im Augenblick nicht aufschreiben können. Decker hustete, und Marge lehnte sich zurück.
    »Was ist mit den Kindern von Sue Beth?« fragte sie. »Fahren die mit ihren Eltern mit?«
    »Würd’ ich annehmen«, sagte Byron. »Ich red’ allerdings nicht viel mit den Darcys.«
    Decker warf einen kurzen Seitenblick auf Byron. Sein Gesicht zeigte keine Regung.
    »Biegen Sie dort rechts ab«, sagte Byron und zeigte auf eine unbefestigte Straße.
    Decker lenkte den Plymouth auf diesen Weg. Er war von rotblühenden Flaschenbäumen gesäumt und endete am Eingang eines dreistöckigen, weiß getünchten Holzhauses. Neben dem Haus war ein roter Silo, dessen Tür aufstand. Das Getreide quoll wie geschmolzene Butter heraus. Das Haus der Darcys lag wie das der Howards inmitten riesiger blühender Kleefelder. Weit hinter dem Haus grasten Kühe. Auf etwa halber Strecke zum Haus forderte Byron Decker auf anzuhalten.
    »Was ist los?« fragte Marge.
    »Irgendwas stimmt hier nicht«, sagte Byron.
    »Woher wissen Sie das, Mr. Howard?« fragte Marge.
    Byron schluckte heftig. »Setzen Sie mal zwei Bäume zurück, Mister Detective.«
    Decker legte den Rückwärtsgang ein.
    »Sehen Sie dort rechts«, sagte Byron. »Der hintere Ast von dem Flaschenbaum.«
    Durch das Autofenster sah Decker, daß der hintere Ast voller Bienen war – wie eine Isolierschicht auf einer Rohrleitung.
    »Einen solchen Schwarm würde keiner von den Darcys einfach auf

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