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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Augen und schluckte trocken.
    »Wenn Sie wollen, können Sie die Bohle fertig reparieren«, sagte Rina.
    Abel lächelte. »Danke, Ma’am. Das werd’ ich tun.« Er ging wieder zu seinem Werkzeug, bückte sich, nahm einen Hammer und steckte sich einige Nägel in den Mund.
    Rina atmete tief durch. Wo zieht man die Grenze zwischen Vorsicht und Paranoia? Der Mann schien aufrichtig, er und Peter waren tatsächlich zusammen auf dem Foto. Trotzdem konnte er ein Psychopath sein. Sie wußte nicht, wie sie ihn einschätzen sollte. Vielleicht hielt nur die Waffe in ihrer Hand ihn davon ab, sie anzugreifen. Und doch, ihre vertrauensvolle Seele sagte ihr, daß sie ihm etwas zu trinken anbieten sollte. Es war glühend heiß. Was aber, wenn …
    Rina wandte ihre Aufmerksamkeit den Schwarzweißfotos zu. Das erste war ein Gruppenbild – sechs junge Männer. Peter lächelte in die Kamera. Sein Gesicht war schlammverschmiert. Seine Augen hatten sich verändert, waren von Bitterkeit erfüllt – die Augen, die sie jetzt kannte. In einer Hand hielt er ein Gewehr, in der anderen ein Bajonett. Ein weiteres Foto zeigte ihn und Abel, wie sie sich offensichtlich in einem Zelt ausruhten. Sie lagen mit nacktem Oberkörper auf getrennten Feldbetten, und jeder las ein Taschenbuch. Hieß das auf Peters Umschlag The Carpetbaggers ? Abel las Micheners Hawaii . Auf dem letzten Foto sah man Peter, Abel und einen weiteren jungen Mann, wie sie gerade in einen Hubschrauber kletterten. Immer noch jung, immer noch lächelnd, aber alle drei mit abgestumpftem Blick.
    Rina ging zu Abel und gab ihm die Fotos zurück. Das allererste Foto behielt sie in der Hand und fragte: »Haben Sie noch einen Abzug davon?«
    Abel nahm die Nägel aus dem Mund. »Hab’ ich nicht. Aber Sie können es behalten, wenn Sie wollen.«
    »Ich lass’ einen Abzug machen und schick’ Ihnen das Original zurück. Wär’ Ihnen das recht?«
    »So viel Mühe brauchen Sie sich nicht zu machen, Ma’am.«
    »Das ist keine Mühe.« Rina zögerte, dann sagte sie: »Kann ich Ihnen was zu trinken bringen?«
    »Nein danke«, sagte Abel. »Ich möchte nur noch diese Bohle in Ordnung bringen, und dann bin ich weg. Ich hab’ ausdrücklichen Befehl, mich rar zu machen, während Sie da sind.«
    »Peter hat immer das Bedürfnis, mich zu beschützen.«
    »Zu Recht. Hier in der Stadt laufen genug Verrückte rum.«
    »Was genau machen Sie für ihn?«
    »Ich renoviere seine Scheune und seine Ställe.« Abel hielt einen Nagel auf die Bohle und schlug ihn mit einem Schlag rein. »Sie sind in einem furchtbaren Zustand.«
    »War jedenfalls nett, Sie kennenzulernen«, sagte Rina.
    »Ganz meinerseits.«
    Sobald sie fort war, legte Abel den Hammer hin und spürte, wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen. Obwohl er wußte, daß es müßig war, fragte er sich, wie es sein mochte, von so jemandem geliebt zu werden – von so perfekten Fingern gestreichelt, von so köstlichen Lippen geküßt zu werden. Ihre Kurven waren zum Reinbeißen, ihr Gesicht göttlich. Und erst ihr Haar – schwarz und dick, so glänzend wie ein Ölteppich. Mann, er begehrte sie.
    Und sie gehörte Doc. Pete hatte das Polizeiabzeichen und außerdem zwei gesunde Beine. Ein Teil von Abel haßte Decker mit verzehrender Glut. Doch ein anderer Teil liebte ihn zu sehr, um von ihm zu lassen. Und jetzt war Doc derjenige, der ihn retten konnte, seine einzige Chance, aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Er wischte sich die Augen und knallte einen weiteren Nagel in den Fußboden.
    Doc zu sehen war schmerzhaft, zu schmerzhaft. Der Hauptgrund, weshalb er seine Briefe nie beantwortet hatte, nachdem sie in jeweils andere Städte gezogen waren, und weshalb er sich auch nicht gemeldet hatte, nachdem er nach L. A. gekommen war. Wenn er unversehrt geblieben wäre, hätte er vermutlich mit Doc die Polizeiakademie absolviert. Er stammte aus Kentucky, Doc aus Florida. Vor einer Ewigkeit hatten beide beschlossen, daß die Stadt der Engel vielversprechend sei. Wie die Cowboys in alten Zeiten hatten sie geplant, nach Westen zu ziehen. Abel würde seine Song heiraten, seine asiatische Freundin. Decker wäre Trauzeuge. Gemeinsam würden sie alle üblen Kerle beseitigen und die Straßen wieder sicher machen. Aber der Traum wurde zerstört – sein Mädchen ermordet, sein Bein ab.
    Und jetzt taucht die da auf – mit den gleichen dicken schwarzen Haaren. Und macht ihn ganz verrückt.
    Mußt aufhören, daran zu denken.
    Mußt aufhören.
    Mußt aufhören.
    Er

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