Abschied von Eden
haben die Grundausbildung zusammen gemacht, in Fort Jackson, und die weitere Ausbildung in Polk. Dann nach Übersee – Fulda und Vietnam – B Company, dritte Korporalschaft. Später wechselte Pete vom zweiten Schützen zum Sanitäter. Er war zu groß für die Artillerie …«
Rina schwieg.
»Nie davon gehört?« fragte Abel.
»Nein.«
»Pete redet wohl nie über Vietnam?«
Rina schüttelte den Kopf.
»Typisch Doc – verschwiegen wie immer.« Abel klopfte auf seine Prothese. »Ein Souvenir von Uncle Sam.«
»Das tut mir leid«, sagte Rina.
»Darf ich aufstehn, Ma’am?« fragte Abel. »Ich hocke hier in einer sehr unbequemen Position, und das kleine Stück Metall in Ihrer Hand sagt mir, daß ich besser um Erlaubnis frage, bevor ich mich bewege.«
Rina nickte, ging einen Schritt zurück und hielt immer noch einen Finger am Abzug. Abel stand auf.
»Ich hab’ ein Foto, wo er und ich drauf sind. Es wurde aufgenommen, bevor wir nach Südosten verschifft wurden«, sagte Abel. »Es ist in meiner Brieftasche … hinten in der Hose. Wollen Sie’s sehen?«
Rina antwortete nicht. Abel griff vorsichtig in seine Tasche und zog seine Brieftasche heraus.
»Sehen Sie, Ma’am? Nur ’ne ganz einfache Brieftasche. Billig. Noch nicht mal Leder.«
Er fischte ein Farbfoto heraus und warf es ihr hin. Rina bückte sich und hob das Foto auf, die Augen immer auf Abel gerichtet. Dann stand sie langsam auf und riskierte, das Bild zu betrachten.
Es war eindeutig Peter – und der Mann, der angeblich Abel Atwater hieß. Beide waren jünger – Kinder im Grunde. Sie trugen tarnfarbene Leinenhütchen, weiße T-Shirts und Kampfhosen und hatten Schnellfeuergewehre über den Schultern hängen – Decker links und Abel rechts. Die beiden freien Arme hatten sie umeinandergelegt und lächelten breit. Abel war früher gut gebaut gewesen, breite Schultern und ziemlich groß – um die einsachtzig, so wie er neben Peter stand. Jetzt sah er höchstens noch wie einsfünfundsiebzig aus.
Am beeindruckendsten fand sie jedoch das Aussehen von Peter – das kindliche Grinsen, die weiche Gesichtshaut … glattrasiert. Sie kannte ihn nur mit Schnurrbart und war überrascht, wie geschwungen seine Oberlippe war, wie der Bogen eines Amor. Doch am meisten faszinierten sie seine Augen. Sie hatten zwar dieselbe Farbe, dieselbe Form … aber sie waren anders. Es war ihr Ausdruck, dieses fieberhafte Strahlen – erwartungsvolle Augen. Etwas, das sie an ihm noch nie gesehen hatte, selbst wenn er am glücklichsten war – wenn sie sich liebten, wenn er mit seiner Tochter zusammen war, wenn er mit ihren Söhnen Ball spielte. Nichts, gar nichts hatte seine Augen je so zum Leuchten gebracht wie auf diesem historischen Schnappschuß. Und schweren Herzens erkannte sie, daß sie auch nie mehr so strahlen würden.
»Ich hab’ noch mehr«, flüsterte Abel hinter ihr.
Rina machte einen Sprung. Trotz des klopfenden Geräuschs seiner Prothese hatte sie nicht gehört, daß er sich von der Stelle bewegt hatte. Er war nur ein kleines Stück von ihr entfernt, und er roch nach Schweiß. Unwillkürlich wich sie zurück.
»Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt hab’«, sagte Abel.
»Schon gut.«
Abel senkte seinen Blick auf die Waffe. »Können Sie damit umgehen?«
»Sehr gut sogar«, sagte Rina.
»Weil es sonst gefährlich ist.«
»Ich weiß.«
»Hören Sie …« Abel lächelte sie gezwungen an. »Warum gehn Sie nicht ins Haus, und ich verschwinde von hier? Dann fühlen wir uns beide wohler. Tut mir wirklich leid, daß ich so einfach hier eingedrungen bin. Sagen Sie Pete, es täte mir leid.«
Er warf die Hände in die Luft. »Immer muß ich alles vermasseln.«
Rina antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie: »Sie haben gesagt, sie hätten noch mehr Bilder.«
»Ja«, sagte Abel. »Ja, Ma’am, das hab’ ich. Ich trag’ meine ganze Vergangenheit mit mir rum, wie soll ich das erklären?« Er sah in seine Brieftasche und zog noch ein paar Fotos heraus. »Die sind in Da Nang aufgenommen, wenn wir mal gerade nichts zu tun hatten. Und das kam häufiger vor, als man meinen sollte. Stunden voller geisttötender Langeweile gemischt mit wenigen Minuten Terror. Man konnte sich nie entspannen. Denn wenn man das machte, konnte man leicht mit heruntergelassener Hose erwischt werden. Ein bißchen wie bei der Polizeiarbeit, finden Sie nicht auch?«
»Vermutlich.«
Abel hielt ihr die Fotos hin. Rina nahm sie. Ihre Fingerspitzen berührten sich. Abel schloß die
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