Abschied von Eden
kann es nicht glauben, daß du das gerade gesagt hast«, sagte Rina mit erstickter Stimme. »Du hast fast ein ganzes Jahr damit verbracht, mich zu überzeugen, daß … daß … dieser Zwischenfall nicht meine Schuld war, daß das jedem hätte passieren können, daß ich nichts getan hab’, um – du weißt schon wen – zu ermutigen, mich nicht aufreizend verhalten habe … daß der Typ psychisch krank war. Jetzt behauptest du, ich hätte ein Talent, Verrückte anzuziehen.«
»Das hab’ ich nicht gesagt.«
»Das hast du wohl gesagt.«
»Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Was hast du denn gemeint?«
Decker dachte einen Augenblick nach. Ihm begann der Kopf zu dröhnen. »Ich hab’ gemeint, daß du jeden Mann anziehst, verrückt oder nicht, weil du so schön bist, und du solltest nicht mit jemandem reden, den du nicht kennst.«
Rina zögerte, dann fragte sie: »Ist Abel denn tatsächlich ein Freund von dir?«
»Ja, aber das konntest du schließlich nicht wissen.«
»Ich wußte allerdings, daß er dich wirklich kannte. Er hat mir Bilder von euch beiden gezeigt. So was kann man nicht fälschen.«
»Was für Bilder?«
»Armeefotos. Das hier hat er mir da gelassen.« Sie fischte es aus ihrer Tasche. »Ich hab’ gesagt, ich würde mir einen Abzug machen lassen und ihm das Original zurückgeben.«
Decker starrte lange auf das Foto. Sein Gesicht war immer noch versteinert. Der kleine Petie Decker mit einem breiten dümmlichen Grinsen, lacht, als ob er zu einer Geburtstagsparty ginge. Bereit zu großen Taten, endlich Action machen. Gott, was für Idiot war er gewesen. Und wenn man sich auch noch vorstellte, daß er sich freiwillig gemeldet hatte. Sein Dad war so stolz auf ihn gewesen … Und Abel sah genauso dämlich aus und verdammt viel gesünder als heute. Decker fragte sich, warum er so ein morbides Erinnerungsstück aus einer längst vergangenen Zeit behalten hatte.
Mit einer schroffen Bewegung warf er das Foto aufs Bett.
»Von mir aus kannst du es verbrennen. Ich hab’ keine Lust, in der Vergangenheit zu leben.«
Er setzte sich hin und begrub sein Gesicht in den Händen. In seinen Schläfen tobte ein ausgewachsener Kopfschmerz. Rina setzte sich neben ihn, steckte das Bild in die Tasche und legte dann einen Arm um seine Schulter.
»Jetzt sind wir beide deprimiert.«
Decker schwieg.
»Schlimme Erinnerungen?« flüsterte Rina.
»Nicht so schlimm wie die von Abel«, sagte Decker.
»Ist er verrückt?«
Decker dachte lange nach. Was hätte es für einen Sinn, ihr zu sagen, daß sie mit einem möglichen Vergewaltiger geplaudert hatte? Dann käme sie sich nur noch dämlicher vor, als sie es vermutlich ohnehin schon tat. Vermutlich würde sie Abel nie wiedersehen. Vermutlich war das nur ein dummer Zufall gewesen. Er war halt aufgetaucht, weil er Deckers Bitte wegzubleiben vergessen hatte. So war Abel eben. Manche Dinge gingen einfach durch ihn durch, obwohl er andererseits ein Gedächtnis wie ein Elefant haben konnte, wenn er wollte. Decker würde ihn morgen anrufen und noch einmal daran erinnern, daß er sich nicht sehen lassen sollte.
Schließlich sagte er: »Er ist bloß einer von diesen unglücklichen Veteranen, die nie wieder den Anschluß an das Zivilleben gefunden haben.« Decker fragte sich, ob er das überhaupt geschafft hatte. Schließlich gab es in der Polizeisprache zwei Klassen von Leuten – Cops und Zivilisten. Er sah Rina an und sagte: »Mir ist nicht wohl dabei, wenn er oder ein anderer Typ sich bei dir rumtreibt, wenn ich nicht da bin.«
»Peter«, sagte Rina, »du hast mich überhaupt nicht ausreden lassen. Ich war nicht so blöd, wie du gemeint hast …«
»Ich halte dich nicht für blöd, Rina. Ich liebe dich nur so sehr, daß ich verrückt werde bei dem Gedanken, dir könnte etwas passieren.«
»Ich bin selbst immer noch nervös, Peter. Du brauchst mir nicht zu sagen, ich soll vorsichtig sein.« Sie hielt einen Augenblick inne, dann sagte sie: »Ich hatte meine Waffe dabei.«
Decker starrte sie an. »Was?«
»Meinen 38er Colt Detective’s Special. Ich hab’ in New York weiter Unterricht genommen.«
»Es ist gesetzwidrig, ohne Genehmigung eine verborgene Waffe zu tragen.«
Rina riß die Augen auf. »Dann verhafte mich doch.«
»Du hast deine Waffe aus New York mitgebracht?«
»In meinem Gepäck.«
» Warum ?«
»Um mich zu schützen . Du tust gerade so, als hätte ich deine Männlichkeit in Frage gestellt.«
»Rina …«
»Ich hab’ genausoviel Angst um mich wie du.
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