Abschied von Eden
Ich dachte, du wärst in der Scheune, und als du es nicht warst, hab’ ich sofort in meine Handtasche gegriffen und die Waffe auf diesen Abel Atwater gerichtet. Und eins kann ich dir sagen. Damit hab’ ich mich wesentlich sicherer gefühlt, als wenn ich ins Haus gelaufen wär’ und die Tür abgeschlossen hätte.«
Decker senkte den Kopf. Zu viele Ereignisse an einem Tag. »Ich wußte nicht, daß du in New York Schießunterricht nimmst«, sagte er.
»Das hab’ ich dir nicht erzählt, weil ich wußte, daß du dich darüber aufregen würdest. Ich weiß ja, wie du zu Waffen stehst, aber offen gesagt, ich werde auch künftig nicht mehr ohne Waffe aus dem Haus gehen. Also, warum hilfst du mir nicht und besorgst mir endlich die Genehmigung dazu, worum ich dich schon vor fast einem Jahr gebeten hab’?«
»Das ist nicht so einfach.«
»Also bitte! Du könntest doch deine Beziehungen spielen lassen, wenn du nur wolltest.«
»Ganz ehrlich, Rina, das kann ich nicht. Und wozu brauchst du überhaupt eine Waffe, wenn ich da bin?«
»Denk doch nur mal an heute nachmittag«, sagte Rina. »Du bist nicht immer da. Und so, wie ich deine Arbeitszeiten von früher kenne, wirst du sehr oft nicht da sein, Punkt. Aber ich beklage mich ja nicht. Es macht mir nichts aus, allein zu sein. Ich bin jetzt schon mehr als drei Jahre allein. Im übrigen muß ich an meine Söhne denken, Peter. Ich werde eine Waffe tragen, mit oder ohne Genehmigung, und du wirst mich nicht daran hindern.«
»Ich kann dir keine Genehmigung besorgen«, beharrte Decker. »Ich glaube, die letzte, die an einen Zivilisten ausgegeben wurde, war in den sechziger Jahren an Sammy Davis, Jr.«
»Dann verstoße ich halt gegen das Gesetz«, sagte Rina. »Damit kann ich leben.«
Großartig, dachte er. Er konnte mit seiner eigenen Frau nicht fertig werden; wie konnte er annehmen, mit Verbrechern fertig zu werden? Laß das Thema fallen. Bring es bei einer günstigeren Gelegenheit noch mal zur Sprache. Eine Weile saßen sie schweigend da. Schließlich fragte Decker: »Worüber hast du dich denn mit Abel unterhalten?«
»Wir waren uns darin einig, daß du verschwiegen bist.«
Decker sagte nichts.
»So wie jetzt«, sagte Rina. »Peter, warum hast du mir nie erzählt, daß du bei der Armee warst?«
»Ich hab’ es dir nicht bewußt verschwiegen, Rina. Du hast halt nie danach gefragt, und ich rede nicht gern darüber.«
»Abel sagte, du wärst Sanitäter gewesen.«
»Ja«, sagte Decker. »Was willst du sonst noch wissen?«
Rina zögerte einen Augenblick, weil ihr klar wurde, wie grausam es war, ihn etwas so Häßliches noch einmal durchleben zu lassen, nur um ihre Neugier zu befriedigen. Dann lächelte sie und sagte: »Gut. Du könntest mir Mund-zu-Mund-Beatmung beibringen.«
Decker hob den Kopf, und seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Wenn du willst, können wir gleich anfangen.«
Rina wurde rot. »Was ist mit den Forellen?«
»Die sind mittlerweile kalt.« Decker schleuderte seine Schuhe von sich und sagte: »Man sollte Mund-zu-Mund-Beatmung nicht mit Schuhen machen.«
»Das hab’ ich ja noch nie gehört«, sagte Rina.
»Ist aber so.« Er nahm ihr das Tuch ab und zog die Klammern aus ihrem Haar. Eine Woge schwarzer Seide fiel über ihren Rücken. »Und es ist ganz schlecht, Mund-zu-Mund-Beatmung mit Klammern im Haar zu machen. Könnte dem Opfer eine in den Mund geraten.«
»Lauter Kleinigkeiten, an die man denken muß.«
Decker hielt das Tuch hoch und sagte: »Wie ich sehe, bedeckst du dir wieder die Haare.«
»Ich fühle mich wieder ein bißchen religiöser.«
Decker lächelte. »Das ist gut.«
Sie lächelte zurück. »Ich dachte, du magst es nicht, wenn ich so religiös bin.«
»Rina, ich liebe dich, so wie du bist.«
Plötzlich spürte Rina einen Druck an ihrer Kehle. Sie berührte seine Wange, dann legte sie ihre Hand um seinen Hals und zog seinen Mund an ihren. Er legte sie vorsichtig auf den Rücken, während er sie küßte, sie förmlich in sich sog.
»Das ist keine Mund-zu-Mund-Beatmung«, sagte Decker einen Augenblick später.
»Ich weiß.«
15
Decker kam um neun Uhr ins Büro. Sobald er über die Schwelle trat, klingelte sein Telefon. Er trottete zum Schreibtisch und nahm noch im Stehen den Hörer ab. Am anderen Ende war Marge.
»Hast du ’nen Stift?«
»Moment, ich bin grad reingekommen.« Er zog seinen Stuhl mit dem Fuß heraus und nahm aus einer Hemdtasche einen Kugelschreiber. »Ich brauch’ noch ’nen Zettel. Wo bist
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