Abschied von Eden
Ließ sich 1983 nach vierzehnjähriger Ehe scheiden und zog nach Kalifornien. Keine Angaben für 1983-1985, kein kalifornischer Führerschein, keine Steuern gezahlt, keine Adresse, keine Telefonnummer, keine Sozialhilfe, nichts. 1986 erwarb er dann tatsächlich einen kalifornischen Führerschein. Die darauf angegebene Adresse war jetzt ein Einkaufszentrum. Danach lagen keine Informationen mehr über ihn vor.
Marge nahm sich das Telefonbuch und begann, Imbißstuben in Saugus anzurufen, in der Hoffnung, daß Chip ihnen keinen absoluten Blödsinn erzählt hatte. Nach zwanzig Minuten hatte sie Erfolg. Betty Bidel, die die Frühschicht bei Nicky’s machte, kannte Rolland sehr gut. Marge sagte, sie wäre gleich da. Das war Betty ganz recht, weil zwischen zehn und elf sowieso nicht viel los war.
Rollands »Alte« war eine lange dünne Brünette mit einem bläßlichen Gesicht. Sie trug ein Haarnetz und eine gestärkte weiße Uniform mit einem Namensschild über der Brusttasche. Betty arbeitete an der Theke und polierte gerade Kaffeetassen mit einem braunen Frotteetuch.
Sobald Marge sich vorgestellt hatte, sagte Betty: »Dann hat ihn das Gesetz also endlich erwischt.«
Marge lächelte hintergründig.
Betty legte den Kopf schief. »Wüßt’ ich doch, daß es nur ’ne Frage der Zeit war. Die ganze Dealerei mit Speed. Ich hatte nichts damit zu tun. Das müssen Sie mir glauben.«
Marge sagte, das würde sie.
»Mann, jetzt reicht’s mir aber wirklich«, verkündete Betty. »Selbst wenn er zurückkommen würde, würd’ ich ihn nicht mehr aufnehmen. Nicht nach der Dealerei. Und was er mir angetan hat.«
»Was hat er Ihnen angetan?« fragte Marge.
»Hat mich im Stich gelassen, als ich im dritten Monat schwanger war. Das Arschloch hat gesagt, ich soll’s behalten, er würd’ mich heiraten. Dann ist er abgehauen. Ich komm’ eines Tags nach Haus’, und all seine Sachen sind weg. Das war’s! Hundertfünfzig Dollar aus meiner Tasche, um mein Problem zu lösen!« Betty faltete das Handtuch und begann, über die Theke zu wischen. »Ich hab’ die Schnauze voll von Motorradfahrern, das kann ich Ihnen sagen! Nie mehr!«
»Gab’s einen Grund für diesen plötzlichen Aufbruch?« fragte Marge.
»’ne andere Frau vermutlich.«
»Linda Darcy?«
Bettys Augen verengten sich, und ihre Lippen wurden gespenstisch weiß. Sie ließ eine Flut von Beschimpfungen gegen Linda los. Aus alldem erfuhr Marge schließlich, daß Rolland mit vielen Frauen bumste, aber Linda schien ein besonderes Problem zu sein.
»Er hatte die Frechheit, mir zu sagen, daß er sie liebt«, schrie Betty. »Er wollte sie heiraten, können Sie sich das vorstellen! Läßt mich im Stich, nachdem er mir ein Kind gemacht hat, um irgend ’ne schicke Tussi mit schicken Jeans und klasse Titten zu heiraten.« Sie hielt inne, um Atem zu holen. »Herumbumsen ist eine Sache. Das machen die Typen halt. Ich wußte, daß Rolland Carla fickt, aber das war was anderes. Ich meine, Carla ist halt nur ’n nettes Mädchen. Aber Linda stand über allem. Wie ’ne Prinzessin. Sagen Sie Rolland, er soll sich zum Teufel scheren, wenn er Geld für die Kaution will. Soll er doch Prinzessin Linda um Geld bitten.«
Dann teilte Marge ihr die schlechte Nachricht mit.
Betty griff sich an die Brust und suchte an der Theke Halt. Es dauerte ungefähr eine Minute, bis die Tränen kamen. Sie weinte um ihren Rolland, jammerte, wie sehr sie ihn liebte. Marge nahm sie in den Arm, wartete, bis ihr Schluchzen zu einem Schniefen wurde und verließ dann das Lokal. Als Marge sich ein letztes Mal umdrehte, sah sie, daß Betty immer noch schniefte und ihre Augen rot und feucht waren. Doch der Schmerz hielt sie nicht von ihrer Arbeit ab. Rasch lief sie von Tisch zu Tisch, füllte Salzstreuer auf und murmelte dabei vor sich hin.
Vor seinem Gerichtstermin um drei Uhr hatte Decker noch eine Stunde totzuschlagen. Er rief zu Hause an, aber Rina meldete sich nicht. Er überlegte, ob er zur Ranch fahren sollte, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war, beschloß aber, daß das Unsinn war. Vermutlich war sie zur Jeschiwa gegangen, um alte Freunde zu besuchen. Oder sie war einkaufen. Decker hatte ihr die Schlüssel für den Porsche da gelassen.
Verdammt noch mal, dachte er. Sie kann schon auf sich aufpassen. Er mußte ihr vertrauen.
Er beschloß, sich eine Tüte Orangensaft zu kaufen und im Van Nuys Park die Zeitung zu lesen. Dort machte er häufig Pause, wenn er am Gericht zu tun hatte. Er fuhr mit dem
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