Abschied von Eden
Marge.
»Byron? Mit Linda? Sie wollen mich wohl verarschen!«
»Ich hab’ das auch gehört«, sagte Decker.
»Byron war völlig fertig, das kann ich Ihnen sagen. Der alte Mann kriegt normalerweise die Zähne nicht auseinander, aber gestern hat er sich richtig ausgekotzt.«
»Was hat er Ihnen denn so erzählt?« fragte Marge.
»Ich weiß noch, daß er immer wieder gesagt hat, ›Wer würde so was tun, wer würde so was tun‹. Wenn Byron mal ’nen ganzen Satz rauskriegt, wiederholt er ihn gern.«
Decker schrieb sich in seinen Notizblock: Byron verstört! Zu verstört?
»Können Sie sich erinnern, ob er noch was anderes gesagt hat?« fragte Marge.
Chip schüttelte den Kopf, schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Byron Howard und Linda Darcy.« Er zuckte die Achseln. »Wär’ ich zwar nicht drauf gekommen, aber wie soll man das auch wissen? Linda hatte angeblich mit ’ner Menge Männer was laufen, aber ich hab’ das nie mitgekriegt. Nicht ein einziges Mal. Die Jungs hier wedeln gern mal mit dem Schwanz, verstehn Sie, was ich meine?«
»Was ist mit Carla?« fragte Marge. »Von ihr munkelt man auch, sie hätte viele Freunde gehabt.«
»Carla hat alles gebumst, was Hosen anhat. Gleich da draußen – zwei, drei hintereinander. Am hellichten Tag. Die Lady hat’s getrieben wie ein Karnickel. Haben Sie Carla mal gesehn?«
Nur tot, dachte Decker und schüttelte den Kopf.
»Mann, war die häßlich.« Chip schnaufte verächtlich. »Ich mein richtig häßlich – große Ohren, große Nase, keine Titten und ’nen Arsch so flach wie’n Pfannkuchen. Und sie war blöd. Ging häufiger mal das Gerücht um, daß sie und Earl Zwillinge wären. Sie wissen das mit Earl, oder?«
Marge nickte.
»Stimmt natürlich nicht«, sagte Chip. »Earl ist geistig behindert, Carla einfach blöd. Aber sie war ganz nett. Ließ sich gut ficken, wenn sonst niemand da war. Linda war ein anderer Fall. Raffiniert und sexy. Vielleicht haben ’n paar von den Typen hier es mit ihr getrieben, aber sie hat’s für sich behalten.«
Chip unterbrach sich und brüllte dem mit Sauce herumkleckernden Fixer eine weitere Anweisung zu. Dann sagte er: »Ich war scharf auf Linda. Hab’ sie einmal fast rumgekriegt. Ich glaub’, da stand sie unter Strom.«
»Wovon?«
»Hauptsächlich Suff, und ’n bißchen Gras vielleicht. Ich dachte, sie sah’ mich mit diesem hungrigen Blick an, aber es hat nicht geklappt.« Bei der Erinnerung daran runzelte er die Stirn. »Dawgs Alte hat mir an dem Abend noch einen geblasen. War das Beste, was ich kriegen konnte. So ’ne Scheiße!«
»Wissen Sie, ob jemand die Darcys nicht mochte?« fragte Marge.
»Soweit ich weiß, waren die Darcys immer ganz okay. Die Alten sind ein bißchen wunderlich – Granny D hat’s mit der Bibel, faselt ständig was von Hölle und Verdammnis, Pappy D hatte noch nie Probleme, einem die Meinung zu sagen, ob man’s hören wollte oder nicht. Mann, der alte Furz haßt Nigger und reiche Leute wie die Pest. Und er hat ’ne Stinkwut auf so’n Bauunternehmen – irgendwas mit Mann.«
»Manfred«, sagte Marge.
»Ja, genau die«, sagte Chip. »Kriegt richtig Schaum vorm Mund, wenn er über die redet. Aber Luke, Linda und Carla … alles easy. Sind häufig hergekommen, haben meine Pizza gegessen, mein Bier getrunken, meinen Damen Trinkgeld gegeben und rumpalavert. Carla hat ’n paar Typen gebumst. Das war’s. Wir hatten keine Ahnung, was da ablief. Schiieet. Wir wußten zwar, daß was los war, als die ganzen Polizeiautos hier vorbeifuhren. Doch bevor Byron hier angekrochen kam, hatten wir nicht den blassesten Schimmer, was.«
Marge nahm die Polaroidaufnahmen heraus. »Haben Sie den schon mal gesehen, Chip?«
Der Rocker nahm die Fotos und schnalzte mit der Zunge. »Mann, den hat’s aber erwischt. Wer ist der Nigger?«
»Der Mann ist weiß«, sagte Decker.
»Das kann nicht sein. Sehn Sie sich doch die Haut an.«
»Das passiert mit der Haut, wenn sie den Elementen ausgesetzt ist«, sagte Marge.
»Aber seine Lippen sind so dick wie Niggerlippen«, beharrte Chip.
»Die sind aufgedunsen«, sagte Decker. »Glauben Sie’s mir, Chip, er ist weiß.«
»Er hatte eine nackte Frau mit Helm auf dem rechten Arm tätowiert und auf dem Hintern den Namen Gretchen«, sagte Marge. »Kommt Ihnen das bekannt vor?«
Chip starrte mit aufgerissenen Augen auf das Foto. »Verdammt, ist das etwa Rolland?«
»Was für ein Rolland?« fragte Decker.
»Schiieet! Mann, ist das Rolland?« wiederholte
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