Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
Leute sind daran gewöhnt, mit Krisensituationen umzugehen.«
    »Die Gesellschaft zur Unterstützung von Verbrechensopfern wird den ersten Besuch bezahlen«, sagte Marge. »Probieren Sie ihn doch einfach mal aus.«
    »Mama?« sagte Katie. Sie begann in Sue Beths Armen zu strampeln. »Mama, Mama, Mama, Mama …«
    Das Kind fing an zu weinen.
    »O Gott«, sagte Sue Beth. »Mir ist ganz schlecht.«
    Erneut hielt Marge ihr die Telefonnummer hin.
    Katie hing hilflos in den Armen ihrer Tante und schrie immer wieder »Mama« wie ein verwundetes Lamm. Tränen strömten aus Sue Beths Augen. Ihre Haut war aschfahl geworden und feucht vom Schwitzen.
    Zögernd griff sie nach Marges ausgestreckter Hand und nahm den Zettel.
    Ozzie Crandal sprach mit Decker. »Diese Leute sind ja ganz schön anstrengend.«
    »Inwiefern?« fragte Decker.
    »Könnte ich vielleicht ’ne Tasse Kaffee haben?« fragte Crandal und lockerte seine Krawatte. »Ich hab’ seit sieben Stunden nichts mehr zu mir genommen.«
    »Wenn Sie unsere Brühe ertragen können«, sagte Decker.
    Crandal erwiderte, er sei an Schmieröl gewöhnt, und alles, was nicht am Boden der Tasse klebte, käme ihm schwach vor. Decker holte seinem Kollegen eine Tasse Kaffee aus der Kaffeemaschine und setzte sich an seinen Schreibtisch. Dann lockerte er seine Krawatte und betrachtete den sechzigjährigen Detective mit den schütteren Haaren. Crandal wirkte heute ein wenig munterer. Vielleicht weil es im Raum kühler war als im Canyon. Ein übergewichtiger Typ wie er mußte in einer solchen Hitze eingehen. Crandal dankte Decker für den Kaffee, dann nahm er einen Stapel Papiere aus seiner Aktentasche aus genarbtem Leder.
    »Das ist Ihre Kopie von meinen Aufzeichnungen«, sagte er, »Lesen Sie sie durch, und fragen Sie mich, was Sie wollen. Verlangen Sie bloß nicht von mir, daß ich diese Leute noch einmal vernehme.«
    »Warum?«
    Crandal trank einen weiteren Schluck Kaffee. »Der alte Mann hat so viel Wut im Bauch, daß es einen nervös macht. Das würde man gar nicht meinen, wenn man ihn so sieht. Ich schätze, er ist um die Siebzig. Ein vierschrötiger Kerl mit dem typischen Gesicht eines Hinterwäldlers – sonnengebräunt und voller Falten. Hat kräftige Schultern für einen Mann in seinem Alter, und der Rücken ist auch noch kein bißchen gebeugt. Aber wenn er anfängt zu reden.« Crandal zog die Augenbrauen hoch. »Eine Widerrede, und er pustet dich weg.«
    »Glauben Sie, er hat seine Kinder weggepustet?«
    »Nein«, sagte Crandal. »Das glaub’ ich nicht. Zum einen kam er vor den Littons in Fall Springs an. Das können mindestens ein halbes Dutzend Leute bestätigen. Also, wenn einer verdächtig ist, dann würd’ ich mir Sue Beth vornehmen. Feststellen, ob sie irgendwie durch den Tod ihres Bruders und ihrer Schwester profitiert.«
    Genauso hat Marge argumentiert, dachte Decker. Nachdem Luke und Linda aus dem Weg geräumt waren, würde Sue Beth alles erben, wenn Pappy D starb. Dann mußte er daran denken, wie sie Katie gehalten hatte, wie sie das kleine Mädchen in die Arme genommen und ganz fest an sich gedrückt hatte, wie ihr die Tränen die Wangen heruntergelaufen waren … und Linda war die einzige , die jemals Manfred gegenüber ein Interesse bekundet hatte zu verkaufen. Sue Beth schien einfach nicht der Typ dafür zu sein.
    Eine rein gefühlsmäßige Einschätzung, dachte Decker, die auf keinerlei Tatsachen basierte.
    Crandal redete immer noch: »… der alte Mann war äußerst zugeknöpft, als ich ihm die üblichen Fragen stellte. Als er über seinen Sohn sprach, versagte ihm regelrecht die Stimme. Aber als ich vorsichtig fragte, ob persönliche Motive hinter diesen Morden stecken könnten, bekam er Schaum vorm Mund. Besonders wenn er über die blutsaugerischen Großstadtpinkel von der Manfred Corporation sprach und über seine gottlose Schwiegertochter.«
    »Yeah«, sagte Decker. »Die Familie mochte sie offenbar nicht besonders.«
    »Old Pappy behauptete, sie hätte sie alle ins Armenhaus treiben wollen, und Manfred hätte nur darauf gewartet, sich wie die Geier auf sie zu stürzen, wenn Linda es endlich geschafft hätte. Die alte Dame hatte über Manfred nicht viel zu sagen. Jedes Mal, wenn ich ihr eine Frage stellte, gab sie sie an ihren Mann weiter, außer wenn es um ihre Schwiegertochter ging. Da wurde die alte Dame fuchsteufelswild und sagte, es wär’ alles deren Schuld, weil sie die Hure von Babylon wär’.«
    Decker dachte einen Augenblick darüber nach.

Weitere Kostenlose Bücher