Abschied Von Freistatt
ein unangenehmes Lachen vernehmen. »Sind wir zurückgekommen, um wieder Ärger zu machen?«
Ein viel jüngerer Wachmann trat an die Seite seines Hauptmanne. »Weißt du«, sagte er haßerfüllt. »Mein Vetter ist in dem heimtückischen Hinterhalt auf die VFBF ums Leben gekommen, den sie sich letztes Jahr ausgedacht hatte.* Ich verhehle es nicht, es hat gutgetan, als ich hörte, daß es ihr jemand heimgezahlt hat.!«
Der alte Mann stieß seinen Untergebenen in die Rippen und blickte finster drein. »Halt's Maul, Barik!« Der verkniffene Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln, das einige Zahnlücken enthüllte. »Siehst du nicht, daß sie gerade von einer langen Reise zurückkommt?«
Der jüngere Wachmann warf seinem Hauptmann einen giftigen Blick zu, während er seine Seite rieb. »Ja«, meinte er verdrossen. »Das sehe ich.«
»Dann wünscht ihr ein gutes Nächtchen, Jungs, und laßt sie durch!« Er hieß seine Männer zurückzutreten und machte eine tiefe, ausholende Verbeugung, die ganz und gar spöttisch gemeint war. »Willkommen zu Hause, Lady Chenaya!« sagte er großspurig. »Unsere Empfehlungen an Eure edle rankanische Familie!«
Chenaya war müde, sie ritt weiter und vergaß die Wachleute und ihren bedeutungslosen Spott. Aber als sie die Hauptstraße erreichte, hielt sie noch einmal an. Ein Wind, der den lieb gewonnenen Geschmack der salzigen Meeresluft mit sich trug, fegte durch Freistatts berühmteste Straße, und hier in der Stille vermeinte sie das Rauschen der Brecher und das Knarren der alten Piers am unteren Ende der Hauptstraße zu vernehmen.
Ihr Götter, es war gut, wieder zu Hause zu sein, und bald würde sie sich ausruhen können. Sie wollte schlafen, tagelang schlafen und dann aufwachen und geliebte, vertraute, lachende Gesichter um sich sehen. Zu viel hatte sie gesehen in der Zeit, da sie aus Freistatt fortgewesen war, zu viel erfahren und vielleicht zu viel gewagt. Sie wollte nun nichts mehr, als die Augen schließen und alles vergessen.
Sie ritt den Statthalterweg entlang, an dem Park vorbei, der das Himmlische Versprechen hieß, bis sie die Tempelallee erreichte. Sie sah niemanden sonst in den Straßen und dachte darüber nach. Freistatt war ruhiger geworden während ihrer Abwesenheit. Vom Park war es nicht weit zum Tempel der rankanischen Götter.
Chenaya saß ab und ließ die Zügel ihres Pferdes fallen. Sie klopfte ihm liebevoll auf den Widerrist, ehe sie sich der Freitreppe des Tempels zuwandte. Das Tier war für den Krieg abgerichtet und entstammte den besten Stallungen in Rankes Hauptstatt. Es würde ruhig warten, während sie sich im Tempel aufhielt, und der arme Narr, der es zu stehlen versuchen sollte, tat ihr leid, denn Pferdebisse waren schwer zu behandeln.
Sie stieg die zwölf Marmorstufen hinauf und ging zwischen den Säulen hindurch, die den Eingang zum Tempel bildeten. Zwei Öltiegel brannten hier, denn Anhänger waren zu jeder Stunde willkommen. Zu beiden Seiten des Tempels ragten die großen Steinabbilder von Rankes verlorenem Kriegsgott, Vashanka, und Sabellia, der Mondgöttin, auf. Weihrauch umwirbelte sie, der aus kreisförmig angeordneten Öffnungen zu ihren Füßen kräuselnd emporstieg und durch runde, offene Oberlichter abzog.
Zwischen diesen beiden Gottheiten jedoch stand der Hochaltar Savankalas, über dem das Sonnenrad aus massivem Gold aufragte. Polierte Öltiegel, deren Flammen flackerten und tanzten, umgaben ihn kreisförmig. Da war keine Statue von Savankala, kein Bildnis, außer dem symbolischen Sonnenrad. Wer konnte schließlich der Sonne ins Antlitz sehen?
Chenaya kniete müde vor dem Altar des Sonnengottes nieder, verbeugte sich angemessen und holte eine schwere Lederbörse hervor, die sie unter der Kleidung verborgen an einem Lederriemen um den Hals trug. Sie löste die Kordel und ließ einen großen Brillanten in ihre Hand gleiten. Er war warm von der Hitze ihres Körpers, und als sie die Finger weiter öffnete, fingen seine perfekten Facetten das Licht vom Feuer der Öltiegeln. Ein Regenbogen von Strahlen schoß durch den Tempel.
Die Steinfliesen vibrierten plötzlich, und die Luft selbst schien geladen mit einer unbeschreiblichen Spannung. Über dem Altar begann Savankalas Sonnenrad in einem kräftigen, weißen Licht zu glühen, bis alle Finsternis aus seinem Tempel geflohen und jeder Schatten dahingeschmolzen war.
Chenaya krümmte sich zitternd um den Brillanten zusammen. Das Licht stach ihr in die Augen, obwohl sie ihr Gesicht hinter
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