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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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metallisch. Unter meinen Füßen kann ich, verschwommenen Farbstreifen gleich, das maskierte Lachen der Tänzer vorbeiwirbeln sehen. Generationen von Oxfordbällen spiegeln sich in dem harten Stein. Wenn ich im Frühling noch hier bin, denke ich, werde auch ich diesen Ball besuchen, so viel ist sicher.
    Aber jetzt bin ich allein hier. Um mich herum im Saal ein Gewirr aus halbfertigen Installationen, hängenden und noch nicht hängenden Gemälden, Stapeln von Jacken und Plastiktüten und den kleinen Kästen mit Künstlerbedarf, an deren Anblick ich mich an der Akademie gewöhnt habe.
    Eine lange gehäkelte Wurst schlängelt sich um das Modell eines kleinen Wäldchens. Richtige kleine Tannen, die in einen Holztrog gepflanzt sind. Erde und ein Kehrblech liegen daneben auf dem Fußboden. Die Luft ist erfüllt von Erwartung und nur mühsam gezügelter Hysterie. Aus einem der angrenzenden Räume dringt das vertraute Geräusch eines Wasserkochers kurz vor dem Siedepunkt zu mir herüber.
    Junge gedämpfte Stimmen. Und dann eine unfreundliche, dunkle Stimme, die sich unter die anderen mischt. Jack. Er ist bereits hier. Der Gedanke, ihm wieder gegenübertreten zu müssen, lässt meine Knie weich werden. Aber ich habe jetzt keine Zeit, mich diesem Gefühl hinzugeben. Ich gehe auf das kleine Zimmer am Ende des Ausstellungssaals zu.
    »Hallo«, sage ich schüchtern und trete ein. Etwa zehn Studenten der Abschlussklasse, Jack und ein weiterer Freiwilliger, der genau wie wir mithelfen will, unterhalten sich und essen Plätzchen. Jack sieht mir in die Augen und hebt die Hand zum Gruß. Das hatte ich nicht erwartet. Ein kurzes Flattern in meinem Bauch. Von den anderen kenne ich im Prinzip nur Arabella Chesterfield.
    Sie sind schon länger da, ich hätte früher erscheinen sollen. Ich komme mir sehr dumm vor.
    »Oh«, sagt Jack. »Die berühmte schwedische Arbeitsmoral. Genau das, was wir brauchen.«
    Arabella Chesterfield hält mir ein Plätzchen mit Marmeladenfüllung und einem kleinen Herz in der Mitte hin.
    »Ich warte noch darauf, dass meine Installation geliefert wird«, sagt sie. »Wir beide könnten doch solange die Wände etwas aufpeppen?«
    Ausgerüstet mit Radiergummi, Hammer, Rasierklingen und einem kleinen Eimer weißer Wandfarbe betreten wir den Saal. Arabella erklärt mir, dass von den vielen Ausstellungen im Laufe des Jahres überall noch Nägel, Reißzwecken, doppelseitiges Klebeband und Flecken sich lösender Farbe zurückgeblieben seien. Nach einer Ausstellung sei man oft zu müde, zu aufgedreht oder ganz einfach zu betrunken, um beim Abtransport des eigenen Werkes mehr als bloß die gröbsten Spuren zu beseitigen.
    »Schau mal hier«, sagt sie und deutet auf ein paar Flecken blauer und rosa Ölfarbe. »Da war jemand so spät dran, dass die Farbe auf der Leinwand noch gar nicht getrocknet war.«
    Ich kratze mit einer Rasierklinge an den Flecken herum und tupfe dann ein wenig weiße Farbe darauf.
    »Es ist okay so«, sagt die Tochter des Professors. »Solange es auf Abstand einigermaßen akzeptabel aussieht.«

29. Kapitel
    »Aufregende Kunstwerke«, meint Inspektor Steve King nachdenklich. Er lehnt sich an die Säule direkt hinter dem Foyer und betrachtet die Werke der Studenten. Wir haben zwei Stunden schweißtreibender Arbeit hinter uns, um in diesem Sammelsurium kluger Ideen, experimenteller Installationen und Formenspiele eine Art Ordnung zu schaffen, aber jetzt nimmt die Ausstellung langsam Gestalt an.
    Der Inspektor sieht nüchtern und ernst aus. Sein Anzug sitzt tadellos, und sein Gesichtsausdruck wirkt gefasst, aber hinter der Fassade schwelen Unruhe und Sorge.
    »Sehr professionell«, ergänzt er mit einem Blick auf die trendig-schlichte Graphik des Ausstellungskatalogs. Die kleinen glänzenden Hefte riechen noch nach Druckerfarbe. Ich stelle den Karton mit den Weingläsern, den ich gerade auspacken wollte, in eine geschützte Ecke auf einen der Klapptische und ziehe einige Male an meinem Halsausschnitt, um etwas Luft zwischen den Stoff und meinen erhitzten Körper zu lassen.
    »Können wir irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind?«, fragt King und legt mir eine Hand auf die Schulter.
    »Natürlich, aber dann bin ich ja allein mit einer anderen Person«, versuche ich zu scherzen.
    King lächelt nicht. Als wir das Foyer durchqueren, sehe ich Jack Winters fragende Miene durch eine der weit geöffneten Türen. Er kämpft auf dem Hof damit, drei zusammengeschraubte Schaufensterpuppen aus einem Lieferwagen zu

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