Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
Vom Netzwerk:
Gemeinschaftsball veranstalten und alle Festteilnehmer mit dem Boot eintreffen. Die Stege sind mit Papierlampions dekoriert, alle Jungen tragen Smoking, es gibt Champagner, die Boote dienen zum Schmusen, und im Hintergrund plätschert das Wasser. Einfach perfekt.«
    Ich sitze vorne auf der niedrigen Bank auf einem flachen Kissen. Es steht nur wenig Wasser im Boot, und ich brauche es nicht auszuschöpfen. Darüber bin ich sehr froh, denn ich möchte mich mit beiden Händen festhalten können. Nikita steht aufrecht wie ein Gondoliere auf der kleinen Plattform im Heck des Bootes und stakt, als hätte sie nie etwas anderes getan. Es geht schneller, als ich erwartet habe.
    Der von Bäumen gesäumte Fluss ist hier breit, fast ein Strom, und ich sehe mich nervös nach trainierenden Rudersportlern um. Die sausen oft hier unten vorbei. Man kann sie von Mill Creek Manors verwildertem Garten aus sehen. Sie rudern ihre stromlinienförmigen Fiberglasboote mit fürchterlicher Kraft, acht Männer oder Frauen im selben Boot. Synchronisierte Galeerensklaven spalten die Wasserfläche mit unbegreiflicher Kraft, angefeuert von ihrem Steuermann, Cox genannt, der zusammengekauert im Heck sitzt und die Mannschaft, die rückwärts sitzt und nichts sehen kann, mit seinen Rufen lenkt. Aber im Augenblick scheinen wir vor ihnen sicher zu sein. Dafür ist das Wasser hier, in der Mitte des Stroms, sicherlich einige Meter tief. Weder Nikita noch ich tragen Schwimmwesten, und bis ans Ufer sind es mindestens zehn Meter. Ich kann schwimmen, aber wie ist es mit ihr?
    Die Themse mit ihren vielen Nebenarmen zieht sich wie ein Adernetz durch Oxford. Ich entspanne mich erst, als uns Nikita in einen kleinen Seitenarm stakt, der für Ruderer zu schmal ist. Hier ist das Wasser so seicht, dass man waten könnte. Der Grund wird schlammig. Ein paar Enten weichen uns gemächlich aus. Sie sind die Karawanen von Stechkähnen aus den Sommermonaten gewöhnt. Die Wellen, die wir erzeugen, sind so schwach, dass die schaukelnden Vogelkörper sie kaum registrieren. Nur wenige kahle, schwarze Bäume und ein paar immergrüne Büsche verdecken die Sicht auf den Himmel. Wir befinden uns in einem Tunnel aus Laub und Gestrüpp. Das Flussufer steigt fast senkrecht an und ist teilweise durch Mauern befestigt. Knotige Wurzeln klammern sich an das feste Erdreich der Uferböschung.
    »Kopf einziehen«, ruft Nikita und geht mit der Stake unter dem Arm in die Hocke. Das Boot hat keine Dollen, und ich fürchte, dass sie die massive Stake verlieren könnte. Ich lege mich auf den Rücken und schaue in die von Feuchtigkeit tropfende graue Dunkelheit, als wir unter einer hübschen kleinen Fußgängerbrücke hindurchgleiten.
    »Wo, glaubst du, sind wir?«, flüstert Nikita.
    Als wir die andere Seite erreichen, sitzt ein strenger Vogel mit langem Schnabel auf einem Mauerabsatz unter dem Brückenbogen und hält nach Fischen Ausschau. Vielleicht ein Reiher. Aber hätte der nicht schon längst in den Süden ziehen müssen, überlege ich.
    »Ich glaube, wir sind in der Nähe der Akademie«, beantwortet sich Nikita ihre Frage selbst. »Stehen dort oberhalb der Böschung nicht ein paar Hirsche hinter dem Zaun und dem Gebüsch? Kannst du was erkennen?«
    Ihre Stimme hallt ein wenig, das Echo prallt von den engen, hohen Ufermauern, die uns nun umgeben. Ich tauche die Finger ins Wasser, ziehe sie aber sofort wieder heraus. Es ist eiskalt.
    »Weiß nicht. Aber sag … was hältst du von dieser Geschichte mit Jack und mir?«, frage ich und komme mir dumm vor.
    »Brauchst du dafür etwa meine Erlaubnis?«, lacht Nikita und weicht mit dem Boot einem Grasbüschel aus, das auf einer Sandbank mitten im Flusslauf wächst.
    »Nein, aber du hast doch gesagt, dass du ihn seltsam findest«, meine ich.
    »Schon, aber das bist du ja auch. Eigentlich passt ihr gut zusammen. Ihr seid euch wirklich ziemlich ähnlich«, sagt sie.
    »Noch etwas anderes würde ich gerne wissen«, sage ich und wechsele das Thema. »Warum bist du eigentlich nicht mit Ashley auf ein Zimmer gezogen? Ihr kennt euch doch schon von früher. Trotzdem wolltest du das Zimmer lieber mit einer Fremden teilen?«
    »Weiß auch nicht«, antwortet Nikita hastig, holt ein paarmal weit mit der Stake aus und sieht nachdenklich aus.
    »Ash ist okay«, fährt sie fort, »aber … verdammt, das habe ich noch nie in Worte gefasst. Ich habe es mir nicht einmal selbst eingestanden. Ich glaube, ich wollte eine neue Freundin finden. Die meisten Mädchen mögen

Weitere Kostenlose Bücher