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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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fallen, reiße mit aller Kraft die schwere Tür auf und renne den Gang entlang.
    Die Türen zum Professorenflügel sind natürlich verschlossen. Ohne nachzudenken, gebe ich denselben Türcode ein, der für den Zeichensaal gilt, ändere jedoch die letzte Ziffer und reiße an der Türklinke. Ich bin nicht einmal erstaunt, als das Schloss klickt und die Tür sich öffnen lässt. Ich renne die blankpolierten Stufen zu Chesterfields Wohnung hinauf.
    Meine Finger suchen fieberhaft nach Nikitas Haarspange, die seit dem Vernissageabend in meiner Manteltasche liegt. Als ich sie gefunden habe, knacke ich mit ihrer Hilfe das Schloss, das beim ersten Versuch mit einem schnappenden Geräusch aufspringt. Keuchend stehe ich in Professor Chesterfields Salon.
    Einige Sekunden halte ich inne, dann gleitet die Tür des roten Schlafzimmers auf. Langsam und lautlos. Der bleiche Mond hat die Wolkendecke durchbrochen und taucht die weißen Wände in ein überirdisches eisblaues Licht.
    Etwas bewegt sich dort drinnen. Ich kann nicht sehen, wer oder was, aber der Spalt der Schlafzimmertüre wird allmählich breiter. Ich habe mich nie bedrohter gefühlt. Es gibt etwas hier drinnen, eine Existenz, die ein größeres Grauen in mir auslöst als alles, was ich je erlebt habe.
    Dort drinnen lauert etwas, ich sehe es aufblitzen, zwei Augen vielleicht, mehr nicht, denn schwarze Wolkenschleier wehen vorbei, verdecken den Mond, verdunkeln alles.
    Dies hier sind nicht bloß beängstigende Visionen, Spukgestalten oder düstere Ahnungen. Das hier ist wahrhaftes Grauen. Ich will zurückweichen, will fliehen, aber es ist zu spät. Alles ist zu spät. Die Tür steht jetzt weit offen. Dort drinnen ist etwas, das töten will. Was getötet hat. Und ich habe mich ihm ausgeliefert.
    Es ist Arabella. Sie kommt auf allen vieren auf mich zu. Sie schleppt sich über die Schwelle wie ein verletztes Insekt und hinterlässt eine breite Blutspur. Ich zittere vor Entsetzen, kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass sie das irgendwie spielt, dass sie nicht so tödlich verletzt ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Als sie sieht, dass ich im Zimmer stehe, blinzelt sie benommen und beginnt mühsam zu sprechen.
    »Nimm dich … in Acht …«
    Ein keuchender Laut dringt aus ihrer Brust. Dann fährt sie fort: »Nimm dich … in Acht … vor ihm … vor ihr … nicht ganz bei Trost.«
    Ich verspüre den Impuls, ihr zu helfen. Ich trete einen Schritt auf sie zu und strecke die Hände aus. Aber sie weicht vor meiner Berührung zurück und rollt sich wie ein verletztes Tier zusammen. Ich sehe, dass sie kämpft, sehe, welche Anstrengung es sie kostet, gleichzeitig zu sprechen und zu atmen. Die Worte kommen flüsternd, stoßweise.
    »Dort … dort drinnen … nimm dich in Acht.«
    Sie verdreht die Augen, und ich denke, dass ich mich geirrt habe, dass es ihr wirklich schlecht geht, dass sie vielleicht wirklich nicht überleben wird.
    Was ich im Schlafzimmer sehe, raubt mir beinahe die Sinne. Meine Verzweiflung ist plötzlich so groß, dass sie einen Augenblick lang mein Entsetzen verdrängt. Nikita sitzt in der Fensternische. Ihr Haar ist wild, und ihr Gesicht besteht nur aus Augen. Enorme Augen mit einer matten Eisschicht darüber. Glanzlos und unbeschreiblich traurig. Ich stolpere und schaue zu Boden. Ich glaube zu träumen.
    Das Zimmer ist ein Schlachthaus. Das Bett ist zerwühlt, und unter einer blutgetränkten Decke liegt ein Bündel. Im Salon wimmert Arabella leise vor sich hin. Ich sehe, dass Nikita keinen einzigen Fleck auf ihrem weißen Nachthemd hat.
    »Nikita! Was hast du getan?«
    Meine Stimme zittert und klingt hohl.
    »Bitte, sag mir, was passiert ist.«
    Nikitas schweigende Gestalt im Fenster ist ein verblichener Albtraum. Namenlose Trauer sickert aus allen Poren ihres Körpers, der abgrundtiefe Blick ist unstet. Die Augen, die erst auf mir geruht haben, irren jetzt zur Tür.
    Nikita schüttelt energisch den Kopf, so dass ihr schweres Haar in alle Richtungen fliegt. Ihre Gestalt hat etwas derart Verzweifeltes, dass es mir nicht in den Sinn kommt zurückzuweichen. Aber dann drehe ich den Kopf zur Tür, um zu sehen, was Nikita sieht. Es ist ein grauenvoller Anblick.
    Mit einem Gebrüll, das vermutlich nur in meinen Ohren zu hören ist, kehrt der Schrecken zurück. Er wirft sich auf mich und nagelt mich dort, wo ich stehe, fest.
    Das hier ist kein Zimmer, sondern ein offenes Grab. Ich werde hier drinnen sterben. Die Panik raubt mir die Luft. Es ist, als hätte

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