Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
wollte.«
»Gegen
diese türkischen Amateure? Was hätte dein Stalker für ein Interesse daran? Es
wäre schon ziemlich irrsinnig, wenn er dich seit Monaten belästigt, nur um dein
Auftreten an diesem speziellen Tag zu verhindern.«
»Klingt
irre, stimmt. Aber diese ganze Geschichte ist doch irre. Von vorne bis hinten.
Vielleicht wollte er, dass ich alleine im Hotel zurückbleibe – so wie es Hakan
ja geschehen ist. Er sieht, dass ich nicht in der Dusche ausgerutscht bin und
klaut dann meine Sachen aus der Umkleide.«
»Weil
er so dämlich ist zu glauben, dass du dann achselzuckend wieder ins Hotel
zurückfährst und dich ins Bett legst. Ein cleverer Kerl! Und dann schleicht er
in dein ehemaliges Zimmer, um dich zu ermorden und deine Anwesenheit auf dem
Platz für immer zu verhindern, sieht Hakan, erschrickt kurz und denkt sich dann:
Oh, ist er ja gar nicht. Kinder, wisst ihr was? Auch scheißegal. Nehme ich mir
eben diesen Typen vor!«, fiel Piet van den Boldt ein, und obwohl ihm Rocco, der
wie ein Häufchen Elend neben Poppo lehnte, unendlich leid tat, konnte er nicht
verhindern, dass seine Stimme vor Sarkasmus triefte. Poppo warf ihm einen
warnenden Blick zu. Was willst du, fragte Piet stumm zurück, mir platzt gleich
der Schädel, und ich will, dass er die Klappe hält!
»Sie
haben ja Recht, ich glaube auch nicht mehr so recht an meine Theorie, nachdem
ich Hakans Hasstirade gelesen habe«
Rocco
wandte sich zu seinem Trainer und sah ihn mit einer Mischung aus Trotz und
Hoffnung an.
»Trainer,
halten Sie es nicht für möglich, dass Hakan etwas mit meinem Stalker zu hatte,
dass er selbst es war, oder dass er jemanden angeheuert hat? Bitte, sagen Sie
jetzt nichts, sondern überlegen Sie mal. Gut, Hakan hat auch Patricks
Spielsucht ans Licht gezerrt, aber wer ihn nicht kennt, muss davon nicht
unbedingt was wissen und versteht nicht, auf wen sich die Andeutung bezieht.
Aber meine Beschreibung ist eindeutig, die ganze Nation kann diese
Zeilen mit ‚Madlen und Rocco‘ übersetzen. Diese Ratzki schreibt, sie hat noch
mehr auf Lager, aber ich bin es, der hier als erstes und als einziger eindeutig
diffamiert wurde. Hakan muss mich gehasst haben. Und ich habe keine Ahnung
wieso.«
Poppo
wich Roccos Blick aus, indem er seine Schuhspitzen fixierte.
War
dies tatsächlich eine Möglichkeit? Konnte Hakan hinter dem Stalker steckte? Hatte
er jemanden angestiftet, Rocco zu belästigen und damit auch Madlen in Angst und
Schrecken zu versetzen?
Poppo
seufzte. Zum ersten Mal in seinem Leben sehnte er sich bereits am Vormittag nach
einem kleinen Schlückchen Trostspender, aber dieser Versuchung würde er nicht
nachgeben. Niemals.
Wen
hatte Hakan eigentlich mit der Bezeichnung Säufer gemeint? überlegte er
flüchtig und schob den Gedanken sogleich beiseite.
»Er muss uns alle gehasst haben«,
meinte Poppo. »Und weiß der Henker: Ich hätte ihn am liebsten auch umgebracht.«
»Sehen
Sie die Wolken, die sich hinter den Bergen auftürmen und langsam über die
Gipfel schieben?« Herbert Schmalfuß deutete nach Süden und Gesa Wohlschlegel
beschattete ihre Augen. Kötü hava, übersetzte er vergnügt. Schlechtes
Wetter. Die Prognose eines Einheimischen in der Sprache des Einheimischen!
»Wir
sehen einer stürmischen Nacht entgegen. Regen indes scheint zweifelhaft.«
»Ein
echter Kenner der Natur!«, rief Frau Wohlschlegel vergnügt und klemmte die Daumen
in den Gürtel ihres Safarianzugs.
»I
wo«, winkte Schmalfuß bescheiden ab. »Nur ein Beobachter der Natur, auch und
gerade der menschlichen.«
Seit
dem Abend, an dem Schmalfuß erfahren hatte, dass Gesa ihr Los für das
Fußballdinner an Nikolaus Haverkorn abgetreten hatte, lauerte Schmalfuß auf
eine Gelegenheit, nähere Bekanntschaft mit der Dame zu machen. Nikolaus war ein
alles andere als einnehmender Junge, und er hätte Frau Wohlschlegel nach dem
ersten Aufeinandertreffen so eingeschätzt, dass sie sich lieber einen ganzen
Abend durch ein Programm quälen würde, das ihr missfiel, als freiwillig und zur
Freude anderer darauf zu verzichten. Schmalfuß, der darauf bedacht war, jeden
kleinen Fehler schnell wieder gutzumachen, war neugierig, ob diese kleine Geste
darauf schließen ließ, dass Frau Wohlschlegel ein ganz anderer Mensch war als
die bissige und überhebliche Person, die sich am Frühstückstisch Nutella unter
den Fingernägeln wegkratzte. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, sie im
Restaurant oder im Garten ausfindig zu machen, war sie ihm vorhin, als
Weitere Kostenlose Bücher