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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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sie, legte sich wieder auf mich und streifte meine Lippen mit den ihren. „Ich liebe dich auch, Patrick.“

14
    Grace und ich waren noch nicht ganz soweit, dass ich so lange bei ihr blieb, bis Mae uns morgens zusammen im Bett fand. Der Moment stand kurz bevor, doch keiner von uns nahm ihn auf die leichte Schulter. Mae wusste, dass ich ein „besonderer Freund“ ihrer Mutter war, aber bis wir sicher waren, dass dieser besondere Freund längerfristig dasein würde, brauchte sie nicht wissen, was besondere Freunde so miteinander anstellten. Ich hatte zu viele Bekannte, die ohne Vater, dafür aber mit einem beachtlichen Arsenal an Onkeln im Bett ihrer Mutter aufwuchsen, und ich hatte gesehen, wie sehr es sie verstört hatte.
Deshalb ging ich kurz nach Mitternacht. Als ich den Schlüssel unten in die Eingangstür steckte, hörte ich mein Telefon in der Ferne klingeln. Als ich oben ankam, sprach Richie Colgan auf den Anrufbeantworter:
„… namens Jamal Cooper wurde im September’73…“
„Ich bin’s, Rieh.“
„Patrick, lebst du also doch noch! Und dein Anrufbeantworter geht auch wieder.“
„Der war doch nicht kaputt.“
„Na, dann nimmt er halt nur keine Nachrichten vom schwarzen Mann entgegen.“
„Bist du nicht durchgekommen?“
„Ich habe in der letzten Woche bestimmt ein halbes Dutzend Mal angerufen, aber es hat immer nur geklingelt und geklingelt.“ „Und mein Büro?“
„Das gleiche.“
Ich hob meinen Anrufbeantworter hoch und guckte drunter. Nicht, dass ich nach irgend etwas Besonderem suchte, es schien mir einfach die übliche Reaktion zu sein. Ich prüfte die Buchsen und Eingänge; nichts – alles war richtig eingesteckt. Und ich hatte die ganze Woche über Nachrichten erhalten.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Rieh. Scheint alles in Ordnung zu sein. Vielleicht hast du dich verwählt.“
„Ist ja egal. Ich habe die Informationen, die du brauchst. Ach ja, wie geht es Grace?“
Richie und seine Frau Sherilynn hatten mich im Sommer mit Grace verkuppelt. Sherilynn vertrat schon seit zehn Jahren die Theorie, dass ich nur eine starke Frau brauchte, um mein Leben auf die Reihe zu bekommen, eine Frau, die mir regelmäßig die Hölle heiß macht und mir nichts durchgehen lässt. Neunmal hatte sie sich geirrt, aber beim zehnten Versuch schien es zu klappen, so wie es aussah.
„Sag Sheri, ich bin hin und weg.“
Er lachte. „Das wird ihr gefallen. Aber wirklich! Haha, als du Grace das erste Mal angesehen hast, wusste ich, dass du erledigt warst. Fix und fertig.“
„Hmm“, brummte ich.
„Gut“, sagte er zu sich selbst und gluckste. „Okay, willst du deine Infos?“
„Der Stift liegt schon bereit.“
„Hauptsache, es steht auch ein Kasten Heineken bereit.“ „Versteht sich von selbst.“
„In den letzten fünfundzwanzig Jahren“, begann Richie, „hat es in dieser Stadt eine Kreuzigung gegeben. Der Junge hieß Jamal Cooper. Schwarz, einundzwanzig Jahre alt. Er wurde im September ‘73 gefunden, war auf die Bohlen im Keller einer Absteige am alten Scollay Square genagelt.“
„Kurze Biographie von Cooper?“
„Er war ein Junkie. Heroin. Vorstrafenregister so lang wie ein Footballfeld. Das meiste war Kleinscheiß: Bagatelldelikte, Anstiftung zur Prostitution, aber auch ein paar Einbrüche, dafür hat er zwei Jahre in der ehemaligen Strafvollzugsanstalt Dedham bekommen. Aber trotzdem, Cooper war nur ein kleiner Fisch. Wäre er nicht gekreuzigt worden, hätte gar keiner mitbekommen, dass er tot war. Und selbst hier haben sich die Bullen am Anfang nicht gerade den Arsch aufgerissen.“
„Wer war der ermittelnde Beamte?“
„Zwei Leute. Ein Inspector Brett Hardiman und, lass mal sehen, ja, ein Detective Sergeant Gerald Glynn.“
Ich wurde aufmerksam. „Haben sie jemanden eingebuchtet?“ „Tja, da wird es interessant. Ich musste ein bisschen wühlen, aber es gab einen Tag lang ein bisschen Aufregung in den Zeitungen, als ein Typ namens Alec Hardiman vernommen wurde.“ „Warte mal, hast du nicht gerade…?“
„Ja. Alec Hardiman war der Sohn des leitenden ermittelnden Beamten Brett Hardiman.“
„Was passierte?“
„Der junge Hardiman wurde entlastet.“
„Wurde gemauschelt?“
„Sieht nicht so aus. Hatten wohl nicht viel in der Hand gegen ihn. Er kannte Jamal Cooper flüchtig, glaube ich, und das war’s auch schon. Aber…“
„Was?“
Mehrere Telefone bei Richie klingelten gleichzeitig, und er sagte: „Warte mal.“
„Nein, Rieh. Nein, ich…“
Er ließ mich in der Leitung

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