Absolut WILD 3
gehen«, sagte ein Mädchen mit einem goldenen Nasenstecker lachend, das gerade die Tränken der Pferde mit frischem Wasser füllte. Papa stand mit Barney, dem Besitzer, in einer Ecke des Hofs und unterhielt sich mit ihm. »Ihr habt doch nicht gedacht, sie tragen ihn die ganze Zeit, oder?«
»Wenn Taya ein Zirkuspferd wäre, würde sie ihren die ganze Zeit tragen«, meinte Tori.
Ich wurde rot und schob meine kalten Hände noch ein bisschen tiefer in meine Taschen. »Würde ich überhaupt nicht, Tori!«
Meine Schwester hatte natürlich recht. Aber das bleibt unter uns, ja?
Die Pferde waren so neugierig auf uns wie wir auf sie. Sie waren alle Schimmel und hatten wunderschöne dunkle, kluge Augen. Ich stellte mir vor, wie sie im Gleichschritt durch die Manege trabten und ihr Fell im Licht der Scheinwerfer unter der Zirkuskuppel glänzte wie Silber. In der ganzen Stallanlage roch es nach kaltem Morgentau, nach warmen, dampfenden Tieren und frischen Pferdeäpfeln.
»Reitest du sie auch?«, fragte Tori das Mädchen mit dem Nasenstecker, als es den letzten Eimer Wasser in die Tränke am Ende des Stalls goss.
»Manchmal.« Das Mädchen brachte den Eimer in einen Lagerraum und wischte sich die Hände an seiner Reithose ab. »Aber nur im Training, nicht in der Manege. Ich steh nicht so gern im Rampenlicht. Ich heiße übrigens Adriana, aber ihr könnt mich Addie nennen. Und ihr? Ihr seid Zwillinge, oder?«
Wir stellten uns etwas schüchtern vor.
»Und euer Vater braucht unsere Pferde für einen Film, an dem er mitwirkt?«
»Bei dem Pavlov Valkyrie Regie führt«, erklärte Tori stolz.
Addie pfiff durch die Zähne. »Wow, dann ist es ja ’ne richtig große Sache.«
War ich eigentlich die Einzige, die noch nie etwas von diesem Pavlov gehört hatte?
Papa kam zu uns herüber. Er sah ziemlich zufrieden aus. »Barney und ich müssen nur noch ein paar Details abklären, dann sind wir hier fertig, Mädels. Ihr bleibt bestimmt gern noch einen Moment bei Addie, nicht wahr?«
»Könntest du uns vielleicht ein kleines Kunststück mit einem von den Pferden vorführen, Addie?«, fragte ich, als Papa mit Barney im Büro verschwand.
Addie lächelte. »Ich muss jetzt mit Starlight auf unserem überdachten Trainingsplatz üben. Wollt ihr mitkommen und zusehen?«
Was für eine Frage! Natürlich wollten wir.
Starlight war eine wunderschöne Stute. Sie hatte lange schlanke Beine, und ihre Wimpern waren fast so lang wie meine Nase. Sie blähte ihre samtigen Nüstern und schnaubte leise, als Addie sie über den Hof zum Trainingsplatz führte.
Tori und ich sahen gebannt zu, wie sie sich auf Addies Anweisung hin seitwärts bewegte und dabei anmutig die Beine kreuzte und dann sogar auf Befehl auf die Hinterbeine ging. Sie hatte aufmerksam die Ohren aufgestellt und hielt den Schweif vor Begeisterung die ganze Zeit hoch, während sie ihr Training absolvierte. Ich muss sagen, es war wirklich das reinste Pferdeballett!
»Sie hat richtig Freude daran, nicht wahr?«, sagte Tori, als Addie Starlight am Ende der gelungenen Übung ein Leckerchen gab und sie liebevoll zwischen den Ohren kraulte.
»Oh ja, es macht ihr großen Spaß!« Addie gab der eleganten Schimmelstute einen Kuss auf die Nase.
»Und es ist nicht grausam, sie so zu dressieren?«, fragte ich zaghaft, weil mir in diesem Moment Cash & Carrie in den Sinn kamen.
Addie lächelte. Ich war froh, dass sie mir meine Frage nicht übelnahm. »Bestimmten Tieren tut die mentale Stimulation durch das Training und die Auftritte gut. Wenn es Starlight nicht gefallen würde, würde sie es nicht machen. Früher wurden Tiere mit grausamen Methoden dressiert, das ist richtig – sie wurden bestraft, bekamen Schläge und so weiter. Aber heute arbeiten wir nicht mehr mit Strafe, sondern nur noch mit Belohnung. Und natürlich gibt es inzwischen viele Vorschriften zum Schutz von Showtieren, die eingehalten werden müssen. Jeder Fall ist anders, aber ich finde, Starlight macht einen sehr zufriedenen Eindruck. Meint ihr nicht auch?«
Starlight bohrte ihre Nase in Addies Jackentasche, um noch ein Leckerchen zu ergattern. Ich sah mich auf der gepflegten Reitanlage und dem großen Hof um und kam mir ein bisschen dumm vor, weil ich gefragt hatte. Bei schwierigen Themen wie Tieren im Zirkus musste man nach dem gesunden Menschenverstand gehen, fand ich, und der sagte mir in diesem Fall, dass Addie recht hatte.
Papa tauchte am Rand des Reitplatzes auf. »Hey, ihr zwei, wir müssen los«, sagte er und
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