Absolut WILD 3
»Irgendjemand muss es doch tun!«, schrie sie zurück. »Du hast Papas Foto neben dir im Bett liegen. Das hat Taya mir gesagt. Du liebst ihn immer noch, und du willst, dass er zurückkommt. Und er liebt dich auch immer noch. Warum bist du nur so störrisch?«
»Ich …«, stotterte Mama. »Das ist …«
»Komm, Taya«, sagte Tori nur. »Wir müssen Hausaufgaben machen.«
Ich lief hinter dem flammenden Kometen her, in den sich meine Schwester gerade verwandelt hatte.
»Gut gemacht«, brummelte ich, als wir in unserem Zimmer waren. »Als wäre Mama nicht schon sauer genug gewesen!«
Tori knallte die Tür zu. »Was hätte ich denn deiner Meinung nach sagen sollen? Ja, Mama, nein, Mama, alles ganz prima, Mama?«
»Nein, aber …«
»Vielen Dank auch für deine Rückendeckung«, fiel Tori mir ins Wort und bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Gut zu wissen, dass ich mich immer auf deine Unterstützung verlassen kann.«
Sie marschierte an ihren Schreibtisch, setzte sich und räumte geräuschvoll ihre Stifte und Papiere hin und her, damit sie, falls ich etwas sagte, so tun konnte, als hörte sie nichts. Ich überlegte, was ich machen sollte: unten im Wohnzimmer fernsehen und es riskieren, von unserer wütenden Mutter heruntergeputzt zu werden – oder in Gesellschaft der Eiskönigin meine Hausaufgaben erledigen.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und holte widerwillig mein Geschichtsbuch aus der Schultasche.
Nach der Schule direkt nach Hause kommen zu müssen ist eigentlich gar nicht so schlimm, wenn man in einem Safari-Park wohnt. Das einzige Problem war, dass Tori und ich komplett auf uns selbst angewiesen waren, statt uns wie üblich mit Joe oder Biro oder Cazza zu verabreden. Es macht keinen Spaß, rund um die Uhr mit jemandem zusammen zu sein, der einem spinnefeind ist, das kann ich euch sagen!
Am Mittwoch beschloss unsere Braunbärin Ivana endlich, richtig wach zu werden, wodurch sich Mamas Stimmung besserte. Seit dem bitterkalten Tag, den wir mit Papa bei den Zirkuspferden verbracht hatten, war es viel wärmer geworden – und Ivanas automatischer Frühlingsmelder hatte anscheinend Alarm geschlagen.
»Sie ist wahnsinnig groß, oder?«, sagte ich respektvoll, als Ivana ihr neues Gehege erkundete und alles prüfend beschnupperte. Ihre Jungen hatte sie im dunklen, ruhigen Bärenhaus zurückgelassen, wo Dr. Nik und Mama die Gelegenheit nutzten, um ihr Geschlecht festzustellen und sie schnell zu untersuchen.
»Sie ist ein Bär, kein Chihuahua«, meinte Tori. »Natürlich ist sie groß.«
Ivana wog bestimmt mehr als zweihundert Kilo. Ihr glänzendes Fell war kaffeebraun, und sie hatte süße runde Puschelohren und an den Füßen lange Krallen. Ihr Hinterteil war selbst nach mehreren Monaten ohne Nahrung noch gut gepolstert, und sie sah rundum kuschelig aus. Ich konnte total verstehen, warum jemand auf die Idee gekommen war, Teddybären zu erfinden. Wären Ivanas gefährliche Zähne nicht gewesen, die wir jedes Mal zu sehen bekamen, wenn sie gähnte (sie war eben immer noch ziemlich verschlafen), hätte ich sie von morgens bis abends knuddeln können.
Dr. Nik kam mit Mama aus dem Bärenhaus. »Wir haben zwei Mädchen und einen Jungen«, verkündete er lächelnd. »Wie es aussieht, bekommen sie genug zu trinken – allerdings ist mir der Junge ein bisschen zu schmächtig. Wollen wir hoffen, dass Ivana ihre Kleinen ordentlich bemuttert, wo sie jetzt richtig wach ist.«
»Dürfen wir sie sehen?«, fragte ich. »Können wir ihnen endlich Namen geben?«
Es waren schon fast sechs Wochen vergangen, seit die kleinen Bären auf die Welt gekommen waren, und sie sahen inzwischen wahnsinnig niedlich aus mit ihren knubbeligen Körpern, ihrem plüschigen braunen Fell und ihren runden Ohren, die sich schon hübsch aufgerichtet hatten und nicht mehr flach anlagen. Sie kletterten im Bärenhaus aufeinander herum und fiepten verärgert, weil ihre Milchquelle nicht da war. Der Junge war leicht zu erkennen, denn er war tatsächlich deutlich kleiner als seine Schwestern.
Tori bekam ihren Willen und taufte eins der Mädchen Anna. »Und das andere Sasha?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Mir hätte zwar ein witziger Name besser gefallen, aber weil ich schon Ivanas Namen ausgesucht hatte, wollte ich mich nicht mit Tori streiten. Außerdem war es schön, dass sie wieder mit mir redete.
»Und wie nennen wir den Jungen?«, fragte ich. »Moskau oder Kosak passt irgendwie nicht zu Anna und Sasha.«
»Ivan?«
»Ist Ivana
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