Absolut WILD 3
das Leben retten.«
»Kurdische Pferde in Godalming!«, rief ich und konnte mich nicht beruhigen.
Biro zog sein Handy aus der Tasche. »Wartet einen Moment, dauert nicht lange.«
Als Papa uns später abholte, grinste er wie ein Honigkuchenpferd. Er umarmte mich und Tori stürmisch, aber die ganz große Umarmung mit Hochheben und Im-Kreis-Drehen hob er sich für Biro auf.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich deinem Onkel bin, mein Junge!«, sagte er, als er unseren Freund, der knallrot geworden war, wieder auf dem Boden absetzte. »Kurdische Pferde in ein paar Kilometern Entfernung von hier! Es sind so herrliche Tiere! Ich habe sie vor etlichen Jahren in Syrien fotografiert, und ich dachte, ich würde nie wieder eins zu sehen bekommen.«
»Es sind reinrassige kurdische Pferde, Mr Wild«, sagte Biro, als wir ins Auto stiegen. »Mein Onkel züchtet sie seit vielen Jahren. Wir sind sehr stolz auf unsere Pferde. Meine Cousins und ich, wir reiten sie schon unser Leben lang. Worum geht es in dem Film?«
»Er heißt Die Rose und der Ring «, sagte Papa.
»Und es geht um eine Lady namens Rose de Lacey, die sich in einen kurdischen Zirkusreiter verliebt, und der Regisseur ist, wie ich schon sagte, der berühmte Pavlov Valkyrie«, erklärte Tori voller Begeisterung. »Es ist eine wahre Geschichte von vor mehr als hundert Jahren.«
»Wer spielt den Zirkusreiter?«, fragte Biro. »Ein Kurde vielleicht?«
»Ein gewisser Mirza Khan«, warf ich schnell ein, weil ich auch mitreden wollte.
» Mirza Khan ?«, sagte Biro ungläubig. »Der ist sehr berühmt bei uns.«
»Mr Valkyrie nimmt nur die Besten«, entgegnete Papa.
Biro fing an, rasend schnell in seiner Sprache auf uns einzureden, bevor er sich daran erinnerte, dass wir ihn nicht verstehen konnten. »Ich bin total aufgeregt«, erklärte er atemlos.
»Das hatten wir uns schon gedacht«, sagte ich grinsend und klatschte Tori ab.
Biros Onkel Ardalan wohnte in einem gigantischen Haus, das in einem abgelegenen Tal in der Nähe von Godalming versteckt war. Hier schien einfach alles aus Gold zu sein: die Türknaufe, die Treppengeländer, sogar die Fransen an Vorhängen und Teppichen. Durch große Fenster mit goldenen Griffen und Riegeln sah ich eine Wiese mit Bäumen, auf der friedlich mehrere Pferde grasten.
Eine ältere Ausgabe von Biro erschien mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln im Gesicht am oberen Ende der Treppe. Die Goldzähne von Onkel Ardalan passten perfekt zum Stil seines Hauses.
»Mein Onkel spricht nur Kurdisch«, erklärte Biro, als der ältere Herr Papa fest auf beide Wangen küsste und Tori und mich mit rauen Fingern, die nach dunklem süßen Tabak rochen, ins Kinn kniff. »Aber er zeigt Ihnen sehr gern seine Pferde und bringt sie auch am Freitag zum Set – wenn Sie sie haben wollen.«
Zwischen Biro und seinem Onkel flogen eine Menge Wörter hin und her, aus denen ich nur einen Namen heraushörte, und zwar »Mirza Khan«. Der Onkel machte einen ziemlich aufgeregten Eindruck und schüttelte Papa kräftig die Hand, als wir den Weg zur Wiese hinuntergingen.
Sechs Pferde kamen an den Zaun galoppiert, um uns Hallo zu sagen. Es waren hübsche kleine Tiere, die eher wie Ponys aussahen, mit ausdrucksvollen Augen und geblähten Nüstern. Sie hatten viele verschiedene Farben.
Biros Onkel begann in seiner Muttersprache zu reden, und Biro übersetzte. »Das kurdische Pferd ist eine der ältesten Pferderassen. Es ist recht klein. Kurdische Pferde haben ein Stockmaß von höchstens anderthalb Metern. Sie sind sehr starke ausdauernde Gebirgspferde, was sehr nützlich ist – im Irak gibt es nämlich viele Berge. Die Leute sagen, das kurdische Pferd ist der Vater sämtlicher reinrassigen Pferde, die es heute auf der Welt gibt. Die Kurden lieben ihre Pferde wie ihre eigenen Kinder. Deshalb haben sie sich früher in Schlachten nie besonders gut geschlagen. Sie hatten immer Angst, dass ihre Pferde verletzt werden könnten.«
Das gefiel mir. Ich fand es gut, wenn jemandem das Wohlergehen seines Pferdes wichtiger war als der Sieg bei irgendeiner blöden Schlacht.
Als Biros Onkel sich einen Moment entschuldigte und mit seinem Handy am Ohr davonging, wendeten wir uns den Pferden zu und streichelten ihre samtigen Nasen. Sie genossen unsere Aufmerksamkeit sehr. Sie stupsten uns immer wieder an, um noch mehr Streicheleinheiten zu bekommen, und schnupperten an unseren Ärmeln – wahrscheinlich in der Hoffnung, dass wir ein paar Äpfel aus
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