Absolut WILD 3
nicht wahr? Meiner Erfahrung nach ein Zeichen dafür, dass man sich gut um sie gekümmert hat. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass man die Haltung von Wildtieren im Zirkus unterstützen soll …«
»Gut!«, rief ich aufgebracht dazwischen.
»Ich meine nur, dass man jeden Fall gesondert betrachten muss«, beendete Papa seinen Satz.
Ich musste an Addie denken, das Mädchen, das Starlight versorgte. Jeder Fall ist anders, hatte sie gesagt. Und dass bestimmten Tieren die mentale Stimulation durch das Training und die Auftritte guttut.
»Was glaubt ihr? Was hat Ivana wohl im Zirkus gemacht?«, fragte Papa.
Wir zuckten nur mit den Schultern, während wir uns im Stillen fragten, ob es wirklich sein konnte, dass Papa auf der richtigen Fährte war.
»Bären kann man alle möglichen Kunststücke beibringen«, sagte er und trommelte nachdenklich mit den Fingern auf das Lenkrad. »Auf dem Seil laufen zum Beispiel.«
»Du meinst, wir sollen ein Seil quer durch Ivanas Gehege spannen?«, sagte Tori ungläubig.
Auf der rechten Straßenseite kam das Wild World -Schild in Sicht. »Einen Versuch ist es wert, finde ich«, sagte Papa und setzte den Blinker. »Ivanas geistiger Gesundheit zuliebe und zum Wohl ihrer Jungen, meint ihr nicht auch?«
»Das ist das Verrückteste, was ich jemals gehört habe!«, rief Dr. Nik eine Viertelstunde später im Bärenhaus. Er hatte sich nicht besonders gefreut, Papa zu sehen.
»Er könnte recht habe, Jonas«, sagte Mama. Sie streichelte Boris, der wie immer in ihren Armen döste. »Was kann es schon schaden?«
Papa schaute auf den Boden. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass jemand sein zufriedenes Grinsen darüber sah, dass Mama seinem Vorschlag zustimmte.
Dr. Nik begann hektisch auf und ab zu gehen. »Wir sind hier nicht im Zirkus – Wild World steht für Wissenschaft, Forschung und Tierschutz! Es wird einen riesigen Aufruhr geben, wenn wir Ivana zu derart unnatürlichen Verhaltensweisen anhalten!«
»Vielleicht macht sie ihre Kunststücke ja gern«, sagte ich. »Vielleicht ist das der springende Punkt!«
Wir schauten alle zu Ivana, die in ihrem Gehege herumstreifte. Es sah aus, als würde sie irgendetwas suchen. Aus dem Bärenhaus waren die ganze Zeit klägliche Laute von Anna und Sasha zu hören, die nach ihrer Mutter riefen. Boris wand sich unruhig in Mamas Armen.
Dr. Nik blies die Backen auf. »Okay«, sagte er widerstrebend. »Mal sehen, ob wir Ivana ins Bärenhaus kriegen, damit wir das Ding aufbauen können.«
Ivana wurde mit einer Kiste Äpfel ins Bärenhaus gelockt und ließ sich auf ihr Strohbett fallen. Anna und Sasha stürzten sich hungrig auf sie. Dr. Nik schloss die Tür und rief in der Wartungsabteilung an.
»Sagen Sie jetzt nichts«, meinte er, als die zwei stämmigen Wartungsmonteure ihn mit großen Augen ansahen, nachdem er sie gebeten hatte, ein Seil im Bärengehege zu installieren. »Ich tue mich auch schwer mit dieser Idee.«
Als die Männer ein dickes Seil holten und begannen, es an zwei niedrigen, stabilen Ständern zu befestigen, waren Tori und ich so aufgeregt, dass wir einen Kicheranfall bekamen. Wenn das wirklich funktionierte, dann war die Sensation perfekt!
»Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ich eines Tages einem Bären ein Seil ins Gehege gebe, damit er seine Kunststücke machen kann«, sagte Dr. Nik. Seinem Gesicht nach zu urteilen gefiel es ihm nicht, wie dicht Mama und Papa beieinander standen. »Wenn Sie sich irren, Andy, bin ich in der Fachwelt unten durch!«
12
Voll Banane
Es war ein spannender Augenblick, als Ivana aus dem Bärenhaus kam und ihr neues Spielgerät beschnupperte. Doch dann kratzte sie sich nur den Rücken an einem der Ständer und ging ans andere Ende des Geheges, ohne das Seil eines weiteren Blickes zu würdigen. Eine Elster ließ sich darauf nieder und putzte ihr schwarz-weißes Gefieder, aber als Ivana wieder angetrottet kam, flatterte sie entsetzt davon.
Dr. Niks Miene verfinsterte sich.
»Vielleicht müssen wir ihr ein paar Tage Zeit lassen«, sagte ich kleinlaut. »Sie hat schon eine ganze Weile kein Seil mehr gesehen.«
Ivana wanderte ruhelos in ihrem Gehege herum. Allmählich wurde es dunkel, und die Parkbeleuchtung war gerade angegangen. Es hatte keinen Zweck, sich etwas vorzumachen – es würde wohl nicht mehr klappen.
Matt kam schnaufend auf seinem Fahrrad angestrampelt. Als er vor uns anhalten wollte, machte er einen Schlenker und hätte fast einen der Wartungsmonteure umgefahren, die
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