Absolute Beginners
– ich! Na ja … das ist die Geschichte. Ich geriet in diese Sache rein, als ich, wie alle Kids, in die Sonntagsschule gehen sollte und ich diesen Sonntagshaufen schon bald wissen ließ, dass er sich bitte schön schleichen konnte, aber irgendwie an diesem Wölflingsding hängen blieb, weil es mich zu faszinieren begann, und zwar aus folgenden Gründen: In der Woche, in der ich zum ersten Mal dabei war, hingeschleift von Dad, sagte der alte Wölflingsmeister, der, wie mir jetzt erst klar ist, eine schreckliche alte Schwuchtel war, dass es ihm lieber sei, wenn mein Kommen freiwillig und unverbindlich sei, und wenn ich es nach einem vollen Monat so aufregend fände, dass ich aus eigenem Willen kommen wollte, würde mir das nicht was zeigen? Ich sagte, klar, ja, das würde es, denn ich dachte natürlich, dass der Monat schnell vorbeigehen würde, und sie fingen also an, mir eine Menge Quatsch beizubringen, den ich sogar damals schon absolut nutzlos und lächerlich fand, zum Beispiel wie man ein Feuer ohne Streichhölzer entfacht, wo Streichhölzer doch so ziemlich das Billigste sind, was man kaufen kann, und wie man einem Kind nach einem Schlangenbiss das Bein abbindet, obwohl es in London keine Schlangen gibt, und überhaupt, was ist eigentlich, wenn sie die Kinder in den Kopf oder andere empfindliche Körperteile beißen? Und doch, nach und nach und zu jedermanns Überraschung, war ich schließlich ganz wild auf diese wöchentlichen Treffen in dem Wellblechtempel der Baptisten, denn ich hatte das Gefühl – lach nicht –, dass ich hier zum ersten Mal eine Familie hatte: zumindest eine Gruppe, eine Clique, der ich angehören konnte. Und obwohl dieser furchtbare alte Wölflingsmeister mit seinen schlimmen kurzen Hosen und seinem schlabbrigen Khaki-Hut so schwul war wie ein Wasserhuhn und sogar noch schwuler, machte er sich nie irgendwie an uns Kids ran, und es gelang ihm tatsächlich, uns etwas Moral einzutrichtern – ob du’s glaubst oder nicht. Tja – er schaffte es! Das tat er wirklich. Ich kann ehrlich sagen, dass die einzigen Vorstellungen von Moral, die ich habe, die sind, die mir der schwule alte Wölflingsmeister beigebracht hat, hauptsächlich, glaube ich, weil er uns das Gefühl gab, dass er uns alle mochte, all die kleinen Monster mit ihren dreckigen Knien, und dass es ihn kümmerte, was mit uns geschah, und er von uns nichts wollte , außer, dass wir uns anständig zurechtfänden, später, in der großen weiten Welt. Er war der erste Erwachsene, den ich je traf – sogar meinen Dad eingeschlossen –, der uns nicht erwachsen kam – und nicht seine Macht einsetzte, sondern uns überzeugte.
Damit bin ich im Heute angelangt und dem dritten Teil meiner Ausbildung, meiner Universität sozusagen, und das sind die Jazzclubs. Nun, du kannst von der Kunst des Jazz halten, was du willst – offen gesagt ist es mir egal, was du davon hältst, denn Jazz ist eine so wunderbare Sache, dass man mit jedem, der nicht wild danach ist, nur Mitleid haben kann: nicht dass ich so tue, als verstünde ich alles –, ich meine, bei bestimmten LP s verschlägt es mir die Sprache. Aber das Großartigste an der Welt des Jazz und an all den Kids, die in sie eindringen, ist, dass niemand, kein Mensch, sich darum kümmert, welcher Klasse du angehörst, welcher Rasse du angehörst, wie hoch dein Einkommen ist, oder ob du Junge oder Mädchen oder schwul oder beidseitig veranlagt bist oder was auch immer – solange du dich drauf einlässt und dich benehmen kannst und allen Mist hinter dir lässt, sobald du durch die Tür eines Jazzclubs trittst. Das Resultat all dessen ist, dass du in der Welt des Jazz mit allen Arten von Schleichern zusammentriffst, alle absolut ohne Vorbehalte, die dir in so gut wie allen Dingen Orientierung verschaffen – in sozialen Dingen, in kulturellen Dingen, in sexuellen Dingen, in Rassedingen … genau genommen in fast allem, was du wissen willst. Und deswegen hab ich mich, als die Teenager-Sache in die Hände von Exhibitionisten und Kredithaien zu fallen schien, allmählich von den Wasserstellen der Kiddos zurückgezogen und mich in die Bars und Clubs und Konzerte aufgemacht, dorthin, wo die älteren Nummern in der Welt des Jazz zusammenkommen.
An diesem Abend aber musste ich in einem Teenager-Schuppen in Soho vorbeischauen, um mit zwei meiner Modelle Kontakt aufzunehmen, sie heißen Dean Swift und das Misery Kid. Nun, was Soho angeht, so finde ich, dass es, obwohl so viel Blödsinn darüber
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