Absolute Beginners
frisiert. Das Gesicht blass – leichenfarben mit einem Schuss Malve, reichlich Wimperntusche.
Ich setzte mich neben Misery Kid, der gerade eine Torte aß, und alles an ihm war schrecklich, pickelig, ungebügelt, ungewaschen, aber mit dem hübschesten Paar Augen, das du je gesehen hast, braun und lustig und gewinnend, das muss gesagt sein, und nicht dass das Kid dich je um irgendetwas bittet, schon weil es nur in Sätzen von vier Wörtern spricht und dies in seinen besonders redseligen Momenten.
»Abend, Kid«, sagte ich. »Es gab ein kleines Desaster.«
Er schaute nur wie ein Fisch: Augenbrauen hochgezogen, aber nicht wirklich neugierig.
»Du erinnerst dich an die Aufnahmen, die ich von dir als Dichter Chatterton gemacht habe, mit deiner Tussi als Muse in einem Nylonnetz?«
»Und?«, sagte das Kid.
»Ist schon okay, mein Kunde hat die Bestellung nicht platzen lassen, aber ich hab das Zeug entwickelt, und dein Mädel ist viel zu unscharf.«
»Sollte sie nicht sein?«
»Sie sollte undeutlich sein, Misery Kid, aber in dem Netz trotzdem noch zu sehen. Gut, wahrscheinlich hat sie sich bewegt.«
»Bezahlst für zweite Sitzung?«
»Selbstverständlich,
Mr. Bolden
. 17 Aber ich kann euch nichts zahlen, bis ich die Abzüge an Mr. X-Y-Z geliefert habe.«
»Wer das?«
»Der Kunde.«
Das Misery Kid pulte sich in der Nase und sagte: »Dieser Kunde keine Anzahlung?«
»Nein. Wir müssen einfach alles noch mal machen, Mr. Kid, um unser Geld zu kriegen. Kannst du deine Partnerin auftreiben?«
»Weiß ich doch nicht«, sagte er. »Klingel abends durch, dann sag ich’s dir.«
Er stand auf und tat dies ohne erkennbare Gefühlsregung, und das war echt reichlich heroisch, denn hier war dieses Trad-Kid als solches allein unter all den Teenagern, in den Tagen des Wohlstands immer noch wie ein Gammler und Bohemien lebend, pleite und womöglich sogar hungrig, aber dennoch ohne Trara um die Kohle zu machen. Wenn er es getan hätte, hätte ich schon was rausgerückt, aber zu streiten, wenn du in der Scheiße steckst, ging gegen seine ganze traditionelle Ideologie. Als das Misery Kid auf dem Weg nach draußen am Dean vorbeiging, sah Dean Swift auf und zischte ihm »Faschist!« zu, was das Kid ignorierte. Diese Modern-Jazz-Jungs haben ganz schön entschiedene Ansichten über die Trads und deren reaktionäres Wesen.
Der Dean kam rüber und setzte sich zu mir. Ich sollte erklären, dass ich den Dean seit Wochen nicht gesehen habe, obwohl er mein liebstes und erfolgreichstes Modell ist. Sein Talent ist ungewöhnlich, denn er posiert immer komplett angezogen, und trotzdem schafft er es, pornografisch auszusehen. Frag mich nicht, wie! Im Studio drücke ich genau dann auf den Auslöser, wenn er »Jetzt!« ruft, obwohl er für mich ganz gewöhnlich aussieht, und dann, sieh da! wenn der Film entwickelt ist, da ist er – unanständig. Aufnahmen vom Dean verkaufen sich wie heiße Eiscreme bei gut erhaltenen Damen mit zu viel Busen und zu viel Zeit, und selbst meine Ma war beeindruckt, als sie ein paar Fotos von ihm sah – er sieht so verdammt verfügbar aus, der Dean. Sie hat sogar gefragt, ob sie ihn mal treffen könnte, aber daran hat der Dean keinerlei Interesse, und zwar vor allem, weil er ein Junkie ist.
Wenn man einen Freund hat, der Junkie ist, so wie ich den Dean, stellt man schnell fest, dass es überhaupt keinen Sinn hat, mit ihm über seine Sucht zu sprechen. Das ist so sinnlos, wie über die Liebe zu sprechen oder über Religion oder all die Dinge, die man nur spürt, wenn man sie spürt, denn der Dean, und ich nehme an, jeder andere Junkie auch, ist davon überzeugt, dass dies »eine mystische Art zu leben« ist (in den Worten des Deans) und dass du und ich, die wir uns keine heißen Nadeln in die Arme hauen, einfach so durchs Leben gehen und absolut alles verpassen, was sich daran lohnt. Der Dean sagt immer, das Leben ist nichts als Kitzel. Tja, da stimme ich ihm zu, das ist so, aber mir selbst scheint es der größte Kitzel zu sein, zu versuchen, das Leben nüchtern zu meistern. Aber sag das mal dem Dean!
Ich hatte ihn in letzter Zeit nicht gesehen, weil er bis vor Kurzen eine Weile einsaß. Das ist dem Dean schon ziemlich oft passiert, was damit zu tun hat, dass er gern in Apotheken einbricht, und da er sehr leidet, wenn er von der Welt und allem, was sie bietet, abgeschnitten ist, wird er nicht gerne darauf angesprochen, wenn er wieder rauskommt. Zugleich aber möchte er schon, dass man ihm sagt, wie sehr man sich
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