Absolute Beginners
hinein und nahm Platz, genau rechtzeitig, um mitzuerleben, wie Maria die Bühne betrat.
Maria ist dick und keine junge Frau mehr, aber die Bühne betrat sie ganz wie ein Mädchen: mit flinken Schritten, ungezwungenen Gesten und einem Gesicht, das so von Grund auf heiter ist, obwohl es dich dabei genauso gut auch foppen kann, und das manchmal ziemlich heftig. Sie ist wie ein Mädchen, das stimmt, aber sie ist auch, auf eigenartige Weise, genauso wie jedermanns Mum: sie heißt euch alle willkommen, sie kümmert sich um euch alle, und von dem Moment an, an dem sie die Bühne betritt, weißt du, dass ihr alle hier bei ihr in sicheren Händen seid. Und sofort fängt sie mit den Songs an, die sie sich ausgesucht hat, keine Tricks, keine kalkulierten Pausen, kein Zögern jeglicher Art, und was sie mit den Songs anstellt, ist unglaublich: Ich meine, sie nimmt sogar ziemlich bekannte Standards und krempelt sie um und wirft sie dir sofort wieder hin, als gehörten sie jetzt niemandem mehr außer ihr – Maria. Und sie kann höllisch witzig sein, knallt die Sachen achselzuckend raus, um dann, im nächsten Moment, aufzusteigen wie ein Vogel, süß oder melancholisch. Aber was auch immer sie tut – und das ist das Wichtigste an Maria Bethlehem –, ihr Gesang gibt dir das Gefühl, dass es absolut wunderbar ist, gesund und munter zu sein, und dass die Menschen schließlich doch eine verdammt gute, wunderbare Erfindung sind.
Zum Schluss erhoben sie sich für sie – all die Hunderte englischer Jungs und Mädchen und deren Freunde aus Afrika und der Karibik –, und man musste uns praktisch alle aus dem Saal herausschaben. Schleicher, die ich noch nie gesehen hatte, sprachen mich an, ob es nicht großartig gewesen sei, und ein Schleicher im Besonderen fragte dann, ob ich von den Vorfällen gestern Abend bei St. Ann’s Well oben in Nottingham gehört hätte? Ich fragte ihn, welche Vorfälle? und verstand die Antwort aber gar nicht richtig (weil ich noch zu sehr bei Maria Bethlehem war), ehe mir klar wurde, dass er mir erzählte, es habe Ausschreitungen zwischen Weißen und Farbigen gegeben, aber was konnte man schon erwarten von so einem Provinzkaff dort oben, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen?
IM SEPTEMBER
An jenem Morgen wachte ich sehr früh auf, und es war einer der schönsten jungen Tage, die ich je gesehen habe. Das Himmelszelt ging, als ich über meine Geranien hinweg aus dem Fenster nach oben sah, von Hellrosa in leuchtendes Blau über, mit lediglich ein paar wenigen vereinzelten Wolkenfetzen, die von einer Sonne gold und grün angestrahlt wurden, die hinter den Häusern noch nicht zu sehen war. Die Luft war frisch, als käme sie geradewegs vom Meer, und es war kein Laut zu hören, außer den Hunderttausenden von Lungenpaaren, die hier in Napoli noch schlummerten. Friede, der perfekte Friede, dachte ich, als ich die warme Luft meiner Heimatstadt einsaugte. Und es war außerdem, zufälligerweise, mein neunzehnter Geburtstag.
Ich legte ein bisschen Musik auf und wusch mich, machte dann zwei Nescafés und trug einen davon nach unten für den Hoplite. Der Schleicher war abwesend. Spare in der Zeit, so hast du in der Not, beschloss ich, und trug sie noch weiter runter zu Cool. Noch so ein Schleicher, der die letzte Nacht auf der Piste war. Big Jill so früh zu stören hat gar keinen Sinn, also trank ich beide Tassen draußen auf den Eingangsstufen und stand da und ließ die Szene auf mich wirken.
Und da sah ich Folgendes. Aus Richtung N. Hill Gate kam ein Pulk Großmäuler die Straße runter, die höchstwahrscheinlich auch bei irgendeiner ganznächtlichen Fusel-Veranstaltung gewesen waren und die auf diese unangenehme Art über die Straße und den Gehweg streiften, die ihnen eigen ist, und die alle irgendwie komplett verkehrt aussahen – ich meine, mit Rundungen und Krümmungen an den falschen Stellen –, und auch ihre Sommer-Montur sah so aus, als sei sie in Eile übergezogen worden. Und die Straße rauf kamen, aus der Richtung des Metropolitan-Bahnhofs, zwei farbige Typen – keine Neger, wie der Zufall wollte, sondern zwei Sikh-Krieger-Produkte, mit einem malvenfarbenen und einem limonenfarbenen Turban und mit Unmengen von Haaren. Nun ja, als die beiden Gruppen aufeinandertrafen, traten die Sikh-Typen auf die eine Seite, wie du oder ich es auch tun würden, aber der Großmäuler-Haufen blieb stehen, sodass es schwierig war, vorbeizukommen, und es entstand eine kurze Pause: und das Ganze genau vor meiner
Weitere Kostenlose Bücher