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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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»wenn du dich dazu entschlossen hast, mich zu bekommen, dann solltest du mich auch lieben. Mütter sollten ihre Söhne lieben.«
    »Und Söhne ihre Mütter«, sagte meine Mutter.
    »Wenn sie die Chance haben. Es gibt keinen, der das nicht will, oder? Aber sie müssen ein bisschen Liebe zurückbekommen, ein kleines bisschen Bestätigung.«
    Dazu seufzte meine Mum bloß und lächelte mich schief an und sah sehr weise aus, muss ich sagen, auf ihre Weise, obwohl auch auf sehr fiese Weise.
    »Jetzt hörst du mir mal zu«, sagte sie, »und es kümmert mich einen Dreck, was du denkst. Zunächst mal war ich es, die dich gemacht hat, hier (und sie schlug sich auf den Bauch), und wenn du meinst, das ist leicht, dann versuch es doch selbst mal. Ohne mich und was ich durchgemacht habe, wärst du nicht hier und könntest mich nicht so beleidigen, wie du es gerade tust. Und dann, obwohl dein Vater mir überhaupt nichts bedeutet, genau genommen genau das Gegenteil, habe ich zu ihm gehalten, ihn nicht rausgeschmissen, wie ich es Hunderte Male hätte tun können, wenn ich gewollt hätte, und hätte mir damit das Leben um einiges einfacher gemacht. Und schließlich, was dich angeht –«
    Ich unterbrach sie. »Nur eine Minute, Ma«, sagte ich. »Warum hast du mich gebeten, erst vor zwei Monaten, wieder hierher zurückzukommen, wenn etwas mit Dad schiefgehen sollte?«
    Sie antwortete nicht, und das nutzte ich aus.
    »Weil es ohne einen Mann hier nicht geht – ich meine, einen rechtmäßigen Mann – und das weißt du, nicht wahr. Und du hättest Dad nicht abservieren können, wie du mir sagst, dass du es hättest tun können, weil ich dich kenne, Ma, wenn du es hättest tun können, dann hättest du es auch getan, aber du konntest einfach nicht anders.«
    Sie sah mich an. »Du wirst richtig bissig, mein Junge, was?«, sagte sie.
    »Ich bin dein Sohn, Ma.«
    »Ja. Ja, ich nehme an, das bist du. Aber eins will ich dir sagen. Seit der Nacht, in der du in diesem U-Bahn-Bunker aufgetaucht bist, vor achtzehn Jahren, woran du dich schätzungsweise nicht erinnern kannst, habe ich zugesehen, dass du was zum Essen und zum Anziehen und eine Erziehung hast, so gut ich konnte, bis du für dich selbst sorgen kannst, was du ja nun anscheinend zu können glaubst, und das war manchmal reichlich anstrengend!« Sie drehte ihr altes, anmutiges Gesicht zur Seite und sagte: »Du bist nicht gerade einfach, weißt du. Du warst nicht immer gerade einfach.«
    »Vermutlich nicht, Ma«, sagte ich.
    »Und was das dich lieben betrifft«, fuhr meine Mutter fort, »tja. Hör zu, Sohn. Lieben oder nicht lieben tut man nicht, weil man sich dazu entschließt – sogar den eigenen Sohn. Man liebt, wenn man liebt, und wenn man es nicht tut, dann tut man es einfach nicht, und es hat überhaupt keinen Sinn so zu tun als ob. Wenn du älter wirst, wirst du feststellen, dass es wahr ist, was ich sage. Oder vermutlich bist du so klug, dass du es jetzt schon herausgefunden hast.«
    Ich setzte mich, einen Meter von ihr entfernt.
    »Okay, Mutter«, sagte ich nach einer Weile, »lass es uns dabei belassen.«
    »Wenn du es sagst, Sohn«, sagte sie zu mir.
    Dann tat Ma etwas, was sie bis dahin noch nie mit mir getan hatte, nämlich aufzustehen und zu der Vitrine mit dem orangen Spitzendeckchen zu gehen, an das ich mich noch so gut aus all unseren Wohnorten erinnern kann und von dem wir immer eine Meile Abstand halten mussten, und sie holte eine Flasche Portwein heraus und goss zwei Gläser in kristallgrüne Kelche und reichte mir einen und sagte: »Cheerio.«
    »Ich trinke nicht, Ma«, sagte ich.
    »Sei kein blöder Sack«, sagte sie zu mir.
    Also tranken wir einen.
    Dann fragte Ma, was denn mit meinem Vater sei? Na ja, dann – ich hoffe, ich habe Dad damit nicht verraten, aber ich dachte doch, dass sie es erfahren sollte – erzählte ich ihr alles über Dr. A. R. Frankyln, und dass Dad wirklich ins Krankenhaus sollte, und sie hörte zu, ohne mich zu unterbrechen (auch das erste Mal in ihrem Leben, dass sie das bei mir machte) und schüttelte bloß den Kopf und sagte: »Er geht da nie freiwillig rein. Aber gib mir mal die Angaben dieses Arztes, und wenn es ihm wieder richtig schlecht geht, dann werden wir ihn einfach einliefern lassen müssen.«
    Also tat ich das.
    Dann, als ich dabei war zu gehen und schon an der Tür war, entstand eine Art Pause, und beide überlegten wir, ob wir einander küssen sollten oder nicht. Wir sahen einander an, und plötzlich lachten wir beide, und

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