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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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Stuhlrücken), »um ihnen zu helfen und sie zu beschützen?«
    »Ich hätte gedacht«, sagte Jill und fing mit ihrer rechten Hand an, »dass es genügend Mädchen geben sollte, sodass jeder eine abkriegt.«
    Ich stopfte die zusammengerollte Zeitung zwischen die Teeblätter. »Das ganze Problem ist, so überhaupt«, rief ich, »dass übersehen wird, was wirklich wichtig ist. Und das ist Folgendes. Wenn jeder Neger in England ein Gauner wäre, würde das immer noch keine Entschuldigung dafür liefern, ihnen zehn gegen einen aufzulauern.«
    Big Jill antwortete mir diesmal nicht, und ich stand auf.
    »Ich verstehe mein eigenes Land nicht mehr«, sagte ich zu ihr. »In den Geschichtsbüchern erzählen sie uns, dass sich die englische Rasse über die ganze verdammte Welt ausgebreitet hat: überall hingefahren und sich niedergelassen, und dass das zu den großartigen, fabelhaften englischen Taten gehört. Niemand hat uns eingeladen, und wir haben niemanden um Erlaubnis gebeten, nehme ich an. Doch wenn ein paar Hunderttausend kommen und sich unter unseren fünfzig Millionen niederlassen, dann können wir das einfach nicht ertragen.«
    »Jep«, sagte Big Jill.
    »Oben«, fuhr ich fort, »habe ich einen nagelneuen Reisepass. Darin steht, dass ich ein Bürger des Vereinigten Königreichs und der Kolonien bin. Niemand hat mich darum gebeten, das zu sein, aber so ist es nun mal. Also schön. Die meisten dieser Jungs haben genau den gleichen Pass wie ich – und es waren ja wir , die wir uns die Gesetze ausgedacht haben, die ihnen ein Anrecht darauf gaben. Aber wenn sie im lieben alten Mutterland auftauchen und uns das verdammte Ding zeigen, dann hauen wir es ihnen um die Ohren!«
    Big Jill stand auch auf. »Du regst dich auf«, sagte sie.
    »Darauf kannst du wetten!«
    Sie sah mich an. »Wer im Glashaus sitzt …«, sagte sie.
    »Was soll das heißen?«
    »Hör zu, Schätzchen. Ich persönlich, ich lebe von mysteriösen Umständen, und deshalb habe ich kein Recht, wählerisch zu sein. Was dich angeht, du vertickst pornografische Bilder in den Dörfern, und es sind sehr hübsche Bilder, das bestreite ich gar nicht. Aber das macht es dir etwas schwer, scheint mir, irgendwem eine Predigt zu halten.«
    »Das sehe ich nicht ein«, sagte ich, »überhaupt nicht. Man kann ein Gauner sein und trotzdem ein Mann, keine Bestie.«
    »Wenn du es sagst, Süßer«, antwortete Big Jill. »Und jetzt muss ich dich rausschmeißen, die Mädels schreien gleich nach ihrem Frühstück.«
    »Ah, na gut, Big Jill.« Ich ging zur Tür und sagte zu ihr: »Du bist aber doch auf meiner Seite, oder nicht?«
    »Oh, na klar«, sagte sie. »Ich bin total für die Gleichstellung … Wenn ein farbiges Mädchen hier hereinkommt, ist sie genauso willkommen wie die anderen …«
    »Verstehe«, sagte ich zu ihr.
    Sie kam rüber und legte ihren Hammerwerfer-Arm um meine Schultern. »Mach dir keine Sorgen, mein Sohn«, sagte sie, »und nimm dir die Dinge, die dich eigentlich nichts angehen, nicht so sehr zu Herzen. Die Neger können auf sich selbst aufpassen … das sind große, starke Jungs. Viele von denen sind Boxer …«
    »Oh ja«, sagte ich. »Aber erinner dich, was ich eben miterlebt habe. Stell Flikker und zwanzig Teds in den Ring, ausgerüstet mit Schlagringen in ihren Handschuhen, dann sind sie leicht im Nachteil.«
    »Flikker wurde einkassiert«, sagte sie.
    »Ach ja? Wurde er das?«
    »Er ist in Untersuchungshaft.«
    »Das ist das erste Mal, dass mir ein Richter sympathisch ist.«
    Big Jill kam nach draußen in den Kellerhof. »Es sind gar nicht die Teds, derentwegen du dir Sorgen machen musst«, sagte sie, »sondern dass die Männer auch mit einsteigen. Die Männer hier in der Gegend sind eine ziemlich harte Bande.«
    »Das ist mir schon aufgefallen«, sagte ich zu ihr und ging nach draußen, um das Vorhängeschloss von meiner Vespa zu lösen.
    »Wo fährst du denn hin, Baby?«
    »Ich will mich auf meinem Grund mal ein bisschen umsehen.«
    Sobald man in den Kellerhof trat, konnte man spüren, dass was im Gange war. Die Sonne war mittlerweile gänzlich aufgegangen, und die Straßen waren normal belebt, mit den Schleichern und dem Verkehr – bis einem plötzlich klar wurde, dass sie das nicht waren. Denn irgendwie spürte man ein Loch , hier in Napoli: als ob eine Art Leben aus ihm ablief und auf den Straßen und in den Häuserreihen so etwas wie ein Vakuum zurückließ. Und es wurde irgendwie noch schlimmer dadurch, dass die Leute, wenn man sich umsah, die

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