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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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ganz um war, ohne jemandem zu begegnen außer dem eigenen Spiegelbild, was an manchen Morgen beunruhigend genug war. Marie wusste, dass sie vor elf nicht klopfen durfte, wenn die Tür zu blieb. Mark war nicht so gut erzogen.
    »Bist du schon auf, Mutter?«, rief er vor ihrem Arbeitszimmer.
    »Eine geschlossene Tür bedeutet, dass man nicht gestört werden will«, schrie Clare, öffnete und nahm den Anblick von Mark auf, der schon geduscht und sein verbliebenes Haupthaar zurückgekämmt und mit Gel fixiert hatte und dessen Bauch das Hemd ausfüllte.
    »Mein erster Termin wurde abgesagt.«
    »Und du erwartest nun, dass ich dich unterhalte.«
    »Ich dachte, es verschafft uns die Möglichkeit eines Gesprächs. Hast du gearbeitet?«
    »Anders als du arbeite ich immer, selbst wenn es so aussieht, als wäre ich mit nichts Besonderem beschäftigt. Aber da du mich nun gestört hast, kann ich ebenso gut unterbrechen. Die Störung hat einen sehr hohen Preis, musst du wissen. Ich bekomme nicht wieder, was ich verloren habe.« Sie zwang ihre Lippen zu einem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es ironisch war. »Vielleicht könntest du uns einen Kaffee machen und herausfinden, wo Marie die Zwiebäcke aufbewahrt, und wir können in einer halben Stunde im Garten wieder zusammenkommen. Adam wollte heute mähen, aber ich werde ihn bitten, das auf morgen zu verschieben.«
    So viel Inanspruchnahme war sie nicht gewöhnt, besonders jetzt, wo sie sich endlich in diesem neuen Hause eingelebt hatte. Einmal abgesehen vom Schlafzimmer mit benachbartem Arbeitszimmer bot es ihr eine viel größere Privatsphäre und Trennung von der Außenwelt. Bettler konnten nicht mehr unmittelbar an ihre Tür kommen. Nur die wahrhaft Unverschämten oder Verzweifelten läuteten am Tor zur Auffahrt. Marie, die das Gefühl hatte, dass sogar das noch nicht ausreichte, hatte ein zweites Tor vorgeschlagen, wie sie es bei manchen Häusern in Johannesburg gesehen hatte, wodurch eine Art Dekontaminierungszone geschaffen wurde. Der Gedanke dabei war, dass, wenn man zum Beispiel Lebensmittel anliefern lassen wollte, der Ausfahrer durch das erste Tor hereingelassen wurde und die Lebensmittel in der Sicherheitszone deponierte, Marie konnte dann die Lieferung per Unterschrift bestätigen, während sie von dem Mann durch das zweite Tor getrennt blieb, und erst nachdem er gegangen war und das erste Tor sich geschlossen hatte, würde sie das zweite öffnen, um die Lieferung hereinzuholen. Clare hatte den Vorschlag als lächerlich paranoid abgelehnt. Kapstadt war noch nicht Johannesburg, wo ganze Viertel zu privatisierten Sicherheitszonen geworden waren und bewaffnete Wachmänner Parkplätze von Lebensmittelgeschäften von kugelsicheren Wachtürmen aus kontrollierten. Außerdem würden die wirklich Entschlossenen immer noch Wege finden, um jede Anzahl von doppelten oder dreifachen Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen; sie würden sich durch Stacheldraht schneiden und Mauern untertunneln. Nirgends war es wahrhaft sicher.
    Mark brachte das Kaffeetablett und Clare konnte nicht umhin, die Becher zu bemerken – Becher statt Tassen und Untertassen – und den Plastikbehälter mit Milch. Marie hätte ein Platzdeckchen oder Tuch auf das Tablett gelegt, das Porzellangeschirr benutzt, die Milch in ein Kännchen gegossen und die Zwiebäcke mit Kuchenstücken auf eine Platte gelegt. Solche Dinge machten das Leben hierzulande erträglicher und bereiteten den zufällig hier Geborenen gleichzeitig ein gewisses Unbehagen. »Dieses Leben scheint mir furchtbar ungerecht«, sagte Clare und nahm einen Becher entgegen. »Dass wir diesen Lebensstil haben können. Es würde mich nicht überraschen, wenn uns das alles eines nicht allzu fernen Tages weggenommen werden sollte. Und ich würde es auch nicht für eine völlig ungerechtfertigte Enteignung halten.«
    »Die Regierung sollte dich zur Chefin der Landreform machen, Mutter. Du hörst dich an wie eine Radikale.«
    »Hast du mich jemals für etwas anderes gehalten?«
    »Ich habe dich früher mal für eine Liberale gehalten«, sagte Mark und rührte Milch und Zucker in seinen Kaffee, wobei er auf eine Weise, die Clare zusammenfahren ließ, mit dem Löffel gegen den Becher schlug. Diese Angewohnheit hatte er sich bei seinem Vater abgeguckt. »Eine gute altmodische weiße Liberale.«
    »Das ist eine sehr beleidigende Bemerkung. Woraus hättest du denn schließen können, ich sei eine Liberale?«
    »Das war, ehe ich verstand, was es bedeutete. Ich war

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