Absolution - Roman
Polizei angedeutete Weise, nicht weil ich durch meine eigenen Fehler bei den Sicherheitsvorkehrungen zugelassen habe, dass ich zum Opfer werde, sondern eine echte Verbrecherin.«
Sie ließ das Geständnis sich setzen und wartete auf Marks Reaktion. Er runzelte die Stirn und machte den Eindruck, als glaubte er ihr nicht.
»Oder vielleicht sollte ich es so formulieren. Selbst wenn das Verbrechen kein Verbrechen an sich ist, kann ich gar nicht anders, als mich für schuldig anzusehen, schuldig einer strafbaren Nachlässigkeit oder grober Fahrlässigkeit – Fahrlässigkeit im Hinblick auf das Leben anderer, Fahrlässigkeit im Umgang mit Informationen, die das Leben dieser Menschen gefährdeten. Während des ganzen Zirkus der Wahrheitsfindungskommission habe ich daran gedacht, etwas Symbolisches und Kühnes zu tun – das heißt, um Amnestie als politischer Verbrecher zu ersuchen. Letztlich fehlte mir aber der Mut und ich wollte nicht die ungleich schwereren Verbrechen trivialisieren, die von denen begangen wurden, die nicht nur aus der Distanz schuldig wurden, wie ich scheinbar. Dennoch empfinde ich manchmal immer noch, dass eine Amnestieanhörung das ist, was ich am nötigsten habe – ein Gerichtsverfahren, eine offizielle Verhandlung über die Wahrheit, und einen Richter, der ein Urteil fällt, der mir sagt, dass das, was ich getan habe, nicht aus rein persönlicher Boshaftigkeit, sondern aus politischer Motivation getan wurde.«
Mark setzte sich noch aufrechter hin. Wenn er auch nicht begriff, welcher Art das Verbrechen seiner Mutter war, so hoffte sie, dass er Verständnis für die Dringlichkeit ihrer Not aufbrächte. »Aber die Verhandlungen des Amnestiekomitees sind nun beendet, und das seit geraumer Zeit«, sagte er mit verblüfftem Gesichtsausdruck.
»Das ist mir völlig klar. Ich weiß, dass es keine reale Hoffnung auf eine aktuelle politische Amnestie gibt.«
»Was willst du also – denkst du etwa daran, dich der Polizei zu stellen wegen eines Verbrechens, das du dir einbildest begangen zu haben, was auch immer das sein mag?«
»Meine Beziehungen zur Polizei sind denkbar schlecht. Sie würden glauben, ich verhöhne sie, nach den ganzen Verwicklungen mit der Perücke. Ich bin sicher, dass sie mein Geständnis nicht ernst nehmen würden – sie könnten mich sogar verklagen, weil ich der Polizei Zeit stehle. Nein, das ist nicht länger eine Angelegenheit für die Behörden.«
Clare schaute ihren Sohn an, dessen Miene starr war, bar jeglicher guten Laune und Zuneigung.
»Du musst wissen, die Wurzel der Sache beginnt mit dir«, sagte sie. Marks linke Augenbraue hob sich an der äußersten Spitze, doch sein übriges Gesicht blieb unbeweglich, die Kiefer bearbeiteten sein Essen. »Du warst der erste Enkel in der Familie, obwohl Nora schon zehn Jahre länger verheiratet war als ich, aber sie hat keine Kinder bekommen. Die Folge davon war eine beträchtliche Missstimmung zwischen meiner Schwester und mir. Meine Schwangerschaft und deine Geburt, deine extreme, durchsichtige Schönheit als Baby, das alles goss reichlich Öl in das Feuer, das Nora seit meiner eigenen Geburt von mir trennte. Einige erstgeborene Kinder passen sich an. Sie entwickeln ein gutes Verhältnis zu den Nachfolgenden. Sie haben einen Fürsorgeinstinkt, sind Beschützer und Führer, wie du für Laura warst – zumindest in deinen besseren Momenten. Meine Schwester besaß nichts von diesem Fürsorgeinstinkt, oder wenn doch, dann wurde es von ihrer Wut darüber, dass ich ihre Position als alleiniger Mittelpunkt der elterlichen Aufmerksamkeit eroberte, so ausgelöscht, dass die ihr einzig mögliche Reaktion auf mich Ablehnung und Hass waren – die Ablehnung meiner Ankunft und der Hass auf mein Dasein. Ich will dir den Katalog von Übergriffen auf mich als Kind ersparen: das Zufügen von Verbrennungen und das Verprügeln, die Betrügereien und Beschimpfungen, die Zerstörung meiner Lieblingsbücher, ihr Versuch, mein glückliches Verhältnis zu unseren Eltern zu sabotieren. Nur in diesem letzten Punkt scheiterte sie und offenbarte sich ihnen dadurch als die Terroristin, die sie gewesen war. Nicht bloß Terroristin, sondern meine Gefängniswärterin und mein Folterknecht, meine ureigene Kinderzimmersadistin.«
Während sie sprach, beobachtete Clare, wie sich Marks Gesicht ungläubig in Falten legte.
»Ich weiß, du glaubst, ich übertreibe – wie in allen Dingen –, aber höre mich bitte bis zum Ende. Es war während der Winterferien, wir
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