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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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verbrachten eine Woche bei Onkel Richard und Tante Frances auf der Farm, und in diese Zeit fiel Dorothys zwölfter Geburtstag. Ich selbst war gerade erst elf geworden. Frances hatte ein Fest für die Familie und einige von Dorothys Schulfreundinnen aus Grahamstown geplant. Mit der Hilfe meiner Mutter, die, wie du dich sicher erinnerst, eine hervorragende Köchin war, hatte Frances für diesen Anlass einen umwerfend schönen Kuchen produziert. Als er präsentiert werden sollte und die ganze Familie samt Freunden und Nachbarn und selbst die Hausangestellten und ihre Kinder versammelt waren, um zuzuschauen, wie Dorothy die Kerzen ausblies, ging Tante Frances in die Speisekammer, um den Kuchen zu holen. Während wir warteten, hörten wir sie aufschreien, dann tauchte sie bleich und entsetzt wieder auf. In den Händen hielt sie den Teller, auf dem der Kuchen dekoriert worden war, und oben auf dem Kuchen war ein großer Haufen Hundescheiße, ein großer brauner Klacks. Dorothy brach in Tränen aus, während Frances sich nach einer Erklärung umsah. Die versammelten Kinder und nicht wenige der Eltern brachen in Gelächter aus. Als wäre das nicht schockierend genug, trat Nora vor und zeigte auf mich. Mit ihrer selbstgerechtesten Stimme verkündete sie, dass sie mich im Garten hinterm Haus Hundescheiße mit einem Schäufelchen aufsammeln gesehen hatte. Doch ehe ich noch protestieren konnte – nichts dergleichen hatte ich getan, ich hatte mit Dorothy und einigen ihrer Freundinnen den ganzen Vormittag lang Verstecken gespielt, was aber auch hieß, dass ich kein Alibi für die gesamte Zeit hatte –, schrie eins der Kinder der Bediensteten, Nora lüge und er habe sie dabei gesehen, wie sie die Hundescheiße aufsammelte, und habe gesehen, wie sie damit in die Speisekammer ging und wieder herausgeschlichen kam. Das Kind rief das mit solcher Überzeugung, dass keiner, glaube ich, die Wahrheit dessen, was es sagte, hätte anzweifeln können.
    Wäre es dabei geblieben, hätte man es vergessen, denn Nora auf die Aussage dieses Kindes hin zu bestrafen wäre undenkbar gewesen, sogar für unsere egalitär gesinnten Eltern. Während die Erwachsenen dem Jungen vielleicht geglaubt hätten, hätte ein Teil von ihnen sich entschieden, ihm wegen seiner Hautfarbe nicht zu glauben, und diese Meinung hätte am Ende gesiegt. Aber Nora konnte die Anschuldigung nicht so stehen lassen und war gleichzeitig zu jung, um zu wissen, auf welche Weise sie mit ihrem Beschuldiger umgehen musste, damit sie wie die unschuldige Partei, der Unrecht geschah, aussah – die Rolle, die ich eigentlich einnahm. Ich, die ich fälschlich beschuldigt worden war, stand während des gesamten Dramas da wie die wahrhaft Unschuldigen so oft: schockiert und mit offenem Mund schweigend. Nora aber stürzte sich auf ihren Ankläger und zerrte ihn beim Hemd und schlug ihm zwei- oder dreimal ins Gesicht, ehe mein Vater und Onkel Richard sie von dem Jungen, der halb so alt war wie sie und nicht einmal halb so groß, wegziehen konnten.
    Nach diesem Tag bemerkte ich eine Veränderung im Umgang meiner Eltern mit Nora. Sie wurde nicht mehr damit betraut, mich oder irgendein anderes Kind zu beaufsichtigen. Ihr wurde zu Hause keine Verantwortung übertragen. Meine Eltern behandelten sie immer noch mit Wärme, aber auf distanziertere Weise, als hätte sie etwas so Entsetzliches getan, dass sie ihre Tochter nie mehr so sehen konnten wie zuvor. Das Vergehen, Hundescheiße auf den Kuchen zum zwölften Geburtstag unserer Cousine getan zu haben, wäre verzeihbar gewesen, sogar verstehbar. Es ging hauptsächlich um Neid – wenn nicht auf Dorothy, dann vielleicht, indirekt, auf mich. Aber Nora verschlimmerte dieses Vergehen, indem sie erst mich dessen bezichtigte, was sie getan hatte – und dadurch die Zuneigung meiner Eltern für mich zu erschüttern versuchte –, und dann den einzigen Zeugen der wirklichen Missetat angriff.«
    »Du behauptest also«, sagte Mark und die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, »dass das wirkliche Problem, soweit es deine Eltern betraf, war, dass Nora die Tat vorsätzlich beging, um den guten Eindruck von dir, dem bevorzugten Kind, zu zerstören.«
    »Woraus schließt du, dass ich das bevorzugte Kind war?«
    »So muss es gewesen sein oder Nora muss geglaubt haben, dass du es seist, wenn sie sich zu dem getrieben fühlte, was sie tat – wenn sie sich schon so an den Rand gedrängt fühlte, dass sie nicht anders konnte, als dich zu diffamieren.«
    Clare nahm

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