Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abstauber

Abstauber

Titel: Abstauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Goldammer
Vom Netzwerk:
und
tat sogleich ein paar Schritte nach hinten, wo er ein wenig abseits stand, dort
hoffte er unbemerkt das Ende der Zeremonie abwarten zu können.
    Bald hatten sich an Jansens Grab
eine Menge Leute versammelt. Als jemand, den Tauner nicht sehen konnte, begann,
eine leise Rede zu halten, kam ein wenig Wind auf und Tauner schmeckte die salzige
Luft und ein wenig Sehnsucht und Wehmut kamen in ihm auf, denn es erinnerte ihn
an seine Urlaube an der See mit seiner Frau und den Kindern, die damals klein gewesen
waren und deren Wahrnehmung sich noch auf das beschränkte, was sich in einem Umkreis
von vielleicht zehn Metern befand und einer Zeitspanne von höchstens einem Tag.
Wäre es nicht gut, dachte er, wenn alle immer nur soweit dachten? Ohne raffinierte
Mordpläne auszuhecken, ohne sich Gedanken zu machen, was man sagen müsste und welche
Konsequenzen es hätte.
    Jansens Kinder waren nicht mehr
klein, sondern erwachsen. Tauner hatte sich das anders vorgestellt, aber er war
erleichtert, hatte er doch damit gerechnet, kleine, weinende Kinder oder Teenager
erleben zu müssen. Sicher waren sie verzweifelt, aber sie waren gefasst, weil man
ihnen beigebracht hatte, alles mit Fassung zu tragen.
    Nach der Beerdigung trat Tauner
als einer der Letzten an Frau Jansen heran, aus der Nähe sah man ihr die fast sechzig
Jahre an. Er wusste nicht so recht, wie die Witwe jetzt auf ihn reagieren würde,
ausgerechnet jetzt. Tauner hätte es sich selbst zuletzt eingestanden, doch dass
er hier war und Frau Jansen in diesem Moment ansprach, da sie gerade ihren Mann
beerdigt hatte, war nichts anderes als ein weiteres Zeichen dafür, wie hilflos und
nutzlos er sich in den letzten Tagen vorgekommen war. Sein Wunsch, nach Hamburg
zu fahren, war letztendlich nur eine Aktion, um sich selbst und den anderen zu zeigen,
dass er etwas tat. Er konnte es nicht glauben, dass jemand zufällig zur rechten
Zeit am rechten Ort war, um einen Racheakt zu begehen, er hasste diese Willkür und
die damit verbundene nutzlose Suche nach Anhaltspunkten, bei der letztendlich nur
der Zufall helfen konnte. Er wollte, ja, er wünschte sich regelrecht, ein ausgefeilter
Mordplan würde dahinterstecken. Eine Art Schach für harte Männer. Es war ihm klar,
dass es gemein war, die Frau jetzt anzusprechen, und er wusste, dass diese Gemeinheit
etwas war, was tief in ihm steckte und sich in den letzten Jahren immer weiter in
den Vordergrund geschoben hatte. Doch auf den Polizeivideos hatte ihn etwas an dieser
Frau gestört. Diese Müdigkeit, diese Lustlosigkeit. Tauner hatte schon genügend
Hinterbliebene von Mordopfern erlebt, manche waren verzweifelt, andere wütend, andere
apathisch, wieder andere ängstlich, fassungslos. Frau Jansen zeigte keine dieser
Regungen. Er wollte wissen, ob sie so war oder ob sie allen etwas vorspielte. Allein
deshalb hatte er diesen Zeitpunkt gewählt, einen der emotionalsten seit dem Mord.
    »Hauptkommissar Tauner von der Dresdner
Mordkommission. Mein Beileid, Frau Jansen.«
    Die Jansen nickte, gab schwach die
Hand, sah Tauner dabei aber unverwandt in die Augen.
    »Ehrlich gesagt kommen wir bei den
Ermittlungen nicht recht voran. Wir wissen nicht einmal, ob Ihr Mann nicht das Opfer
einer Verwechslung wurde, oder ob die Tat ihn treffen sollte. Wir wären Ihnen für
jeglichen Hinweis dankbar. Bitte rufen Sie mich an, wann immer Ihnen etwas einfällt.«
    »Ich habe schon stundenlang mit
Ihren Kollegen aus Hamburg geredet«, sagte die Frau leise.
    »Ich weiß,
und ich bin Ihnen dankbar für ihre Mithilfe. Trotzdem, denken Sie darüber nach.
Geben Sie uns Namen von Leuten, denen Sie so etwas zutrauen, oder die irgendwie
mit Ihrem Mann in Verbindung standen, haben Sie keine Scheu.« Tauner hörte sich
reden und widerte sich selbst dabei an. Er hatte sich viel mehr vorgenommen, hatte
die gesamte Fahrt über darüber nachgedacht, wie er die Frau aus der Reserve locken
konnte und sich geschworen, sich davon nicht abbringen zu lassen. Doch das war nicht
leicht angesichts der vielen Gesichter, die sich ihm nun zugewandt hatten und ihn
anstarrten, als hätte er gerade auf den Friedhof uriniert.
    »Ich denke die ganze Zeit darüber
nach!«, zischte die Frau wütend. Dann drehte sie sich um und ließ Tauner stehen.
    »Vielleicht war das nicht der geeignete
Zeitpunkt für dieses Gespräch«, bemerkte Bärlach superschlau und leicht pikiert.
    Tauner würdigte ihn keines Blickes.
Warum die immer so tun müssen, als wäre es seine Schuld, dachte er. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher